»Folgen Sie mir bitte vor die Tür!«, fordert der Blumenverkäufer seinen Kunden auf, beendet mit diesen Worten die Stille im Flur und wendet sich umgehend der Haustür zu, um deutlich zu machen, dass keinerlei Widerspruch zulässig ist. Der Kunde sieht ihm irritiert nach. Als er seiner vor Scham heiß gewordenen Wangen gewahr wird, folgt er dem Weg des Blumenverkäufers an jenen Ort vor der Tür, welcher kühle Luft verspricht. Als beide im Freien auf der Treppe stehen, zieht der Blumenverkäufer die Haustür heran, ohne sie zu schließen. »Das Folgende ist nicht für die Ohren des Hausdieners bestimmt«, spricht er den Kunden an, »und ich möchte Sie bitten Ihre Antworten, die ohne Zweifel erforderlich sein werden, in einer Lautstärke zu geben, die der meinen angepasst ist und sie nicht überschreitet.« Der Kunde spürt, dass die kühle Luft nicht die erwartete Wirkung ausübt, als ihm der Ernst der Lage hier im Angesicht des Blumenverkäufers bewusst wird. »Ich erinnere mich wohl«, beginnt der Blumenverkäufer seine Ansprache, »wie Sie sowohl in den Räumlichkeiten meines Blumengeschäftes als auch während der Fahrt im Auto hierhin nicht wenig über die Person Ihres Chefs sprachen. In Ihren Worten war keinerlei Missbilligung und Geringschätzung zu erkennen. Im Gegenteil lobten Sie Ihren Chef in nicht geringem Maße, ließen deutlich einen großen Respekt vor seiner Persönlichkeit erkennen und führten mir vor Augen, mit welchem Glanz er seine Rolle als Leiter des Sie beschäftigenden Unternehmens ausfüllt. Ich möchte Ihnen nun mitteilen, dass der Auftritt des gemieteten Hausdieners einen allerdunkelsten Schatten auf jenes eindrucksvolle Bild geworfen hat, dass ich von Ihrem Chef kraft Ihrer lobenden Worte gewonnen hatte. Dieser für wenige Stunden eingekaufte, orientierungslose und weder mit der Umgebung noch - und das wage ich ohne genauere Prüfung vorauszusagen - mit den Gewohnheiten und Anforderungen Ihres Chefs vertraute Hausdiener ist vollkommen unverträglich mit dessen Würde, die Sie nicht abließen bei jeder Gelegenheit zu unterstreichen.« Der Kunde erschrickt bei den letzten Worten des Blumenverkäufers, die dieser mit herausragender Betonung gesprochen hatte. Der Versuch, vorsichtig das Wort zu ergreifen, wird vom Blumenverkäufer jedoch durch die unbeirrte Fortsetzung seiner Rede zunichte gemacht. »Diese eben erläuterte Tatsache, dass Ihr Chef und der angetroffene angemietete Hausdiener in einer Schieflage sich befinden, ist aus meiner Sicht der gegenwärtigen Lage möglicherweise keine Tatsache, denn meine und Ihre Kenntnis Ihres Chefs unterscheiden sich deutlich, insofern ich von ihm nur aus jener dritten Hand erfahren habe, als welche Sie sich hervortun. Sie hingegen kennen Ihren Chef von Angesicht zu Angesicht. An der Tatsache des gemieteten Hausdieners jedoch ist nicht zweifeln. Eine Auflösung des gegebenen Widerspruchs ist daher nur möglich, wenn ich mein Bild Ihres Chefs einer von ihm beauftragten und gutgeheißenen Anwesenheit dieses gemieteten Hausdieners und den Umständen seines Hierseins anpasse.« Der Kunde, der während dieser Rede des Blumenverkäufers unruhig hin- und her sich bewegt hatte, reißt nun bei den letzten Worten weit die Augen auf und ergreift ohne ein Zögern, das eine Fortsetzung der Ansprache des Blumenverkäufers gestattet hätte, das Wort. »Ohne dass ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt eine zuverlässige und mit allen Mitteln des Beweises und der Überprüfung gesicherte Erklärung für jenen auch für mich erstaunlichen Hausdiener geben kann, geben ich Ihnen Folgendes zu bedenken: Es könnte sich bei diesem gemieteten Hausdiener um eine Person handeln, von deren Gegenwart in seinem Hause meinem Chef nichts bekannt ist und der von einem weiteren Mitglied der Familie meines Chefs organisiert wurde...« »...was in Anbetracht der von Ihnen stets beschworenen Hochherrschaftlichkeit Ihres Chefs ein ganz und gar undenkbarer Zustand ist«, unterbricht der Blumenverkäufer den Kunden. »Sie haben Recht«, erwidert der Kunde, »und ich habe dieses nur als eine Möglichkeit erwähnt, die in anderen Kreisen in Frage kommt, die wir in Bezug auf meinen Chef aber als äußerst unwahrscheinlich nicht weiter in Betracht ziehen müssen.« »Dann weiß ich nicht, warum Sie eine solche Irritation herbeiführen müssen, die nur von der brenzligen Situation ablenkt, in der ich mich mit meiner höchstwahrscheinlich fehlerhaften Vorstellung von Ihrem Chef nun befinde«, fährt der Blumenverkäufer dem Kunden ins Wort. »Es handelte sich nur um eine Vorbereitung für die folgende Überlegung, die ich Ihnen nun vortragen werde«, erwidert der Kunde. »Statt dass der Hausdiener von einem Familienmitglied ohne Wissen meines Chefs gemietet wurde, stellen jene einige Stunden andauernden Dienste des Hausdieners möglicherweise ein Geschenk eines der schon anwesenden Geburtstagsgäste dar - ein Geschenk, bei dem es sich um einen kleinen Spaß handelt, für den mein Chef zwar niemals sonst, jedoch ausnahmsweise am Tage seines Geburtstags das Verständnis hat, welches allein die Anwesenheit des anscheinend minderwertigen Hausdieners gestattet.« Der Blumenverkäufer ist fassungslos und ruft aus: »Ich habe noch niemals solch eine aus dünner Luft gegriffene Spekulation gehört, die jeder fassbaren Grundlage entbehrt.« »Es ist dies auch«, schneidet der Kunde dem Blumenverkäufer das Wort ab, »nur die eine Hälfte der Erklärung und es folgt nun der zweite Teil: Sie werden mir nicht widersprechen können, dass eine Person, welche die Geschicke unseres Unternehmens zu lenken hat und dies erwiesenermaßen mit großen Erfolg tut - stünde ich sonst hier als Prokurist vor Ihnen? -, keine Störungen seiner Gedanken, die sie täglich in sich trägt und zum Zwecke des Fortschritts unermüdlich vorantreiben muss, ertragen und aus diesem Grunde keinen diensteifrigen Hausdiener in ihrer Umgebung dulden kann, weder einen gemieteten noch einen ordnungsgemäßen. Die einzige Ausnahme bildet eine Gelegenheit wie die heutige zu einem seltenen Anlass wie dem heutigen Geburtstag, einen gemieteten Hausdiener als einen kleinen Spaß der Geburtstagsgesellschaft hinzunehmen und an diesem Spaß für die Dauer höchstens eines Tages teilzunehmen. Zusammenfassend sage ich Ihnen also, dass mein Chef keinen ordentlichen Hausdiener unterhält und dass - ganz im Widerspruch zu Ihrer Feststellung und - wie ich Ihnen jetzt sagen muss - misslungenen Deutung - gerade ein solcher regulärer und ordnungsgemäßer, mit allen Winkel und Ecken, Böden und Kellern vertraute Hausdiener mit der konzentrierten Verfassung meines Chefs unverträglich ist, gerade ein Hausdiener aus Spaß für einen Tag der Zerstreung - aber nicht mehr! - dem disziplinierten Wesen meines Chefs jedoch entspricht.« Der Blumenverkäufer hat schweigend und gefasst zugehört und legt nun zögernd den Kopf in den Nacken. Schwere Tropfen stürzen in die Tiefe, Ringe aus Regenwasser dehnen sich auf dem Glasdach über der Haustür. Mit sich allein nickt der Blumenverkäufer langsam mit dem Kopf.
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