Es war ein schöner Tag gewesen, sie hatte gelacht, geruht, gelesen. Im Kino sah sie einen
Piratenschinken, mit Jan, das Kino war voll. Fröhlich verabschiedeten sich die beiden, er stieg in die
U-Bahn, sie nicht. Sie ging zur Alster hinunter, an der ein paar Touristen leise flanierten. Dort sah sie eine
einsame Gestalt, sitzend auf der Bank, vom Lindensaft verklebt war diese. Die Nacht schritt voran. Die
Touristenpärchen entfernten sich schwadronierend. Sie war allein, mit der Person dort auf der
schmutzigen Bank, an der Hamburger Alster. Da erhob sich leise ein helles Säuseln, da lichtete sich ein
wenig der Himmel und das seichte Wasser regte sich sanft. Da rührte sich auch die Gestalt auf der Bank
und drehte das Antlitz ihr zu. Da erkannte sie, wer es war und dass es der war, auf den sie seit Dekaden
gewartet hatte.
Ja, er war es, mit einem Blick wie ein Blitz hatte sie ihn erkannt. Und als würde die Natur sich einmischen
wollen in diesen besonderen, diesen heiligen Moment, so regte sich das dunkle Nass der Alster in
aufsprudelnden Wellen, so wehte eine aufkeimende Brise das erste gefallene Blattwerk des endenden
Sommers vom Boden empor und das Säuseln verstärkte sich rasch zu einem hohen, glockigen Singen. Und
wirklich kam da über die Alster nun ein Gewimmel von lockenden Klängen herüber, frohe Kinderstimmen
erschallten in himmlischer Klarheit. Die Alsterspatzen waren es, die sangen, die Alsterspatzen! Und sie
ließ ab von der stattlichen Gestalt, die eben noch so wichtig für sie gewesen war, die eben gerade noch ihr
einziges Wollen gewesen war, und folgte den glockenhellen Stimmen der Hamburger Alsterspatzen und
ließ sich herab in die kühle Alster, die süßen Klänge noch näher an ihr Herz zu nehmen. Und sie sank herab,
beseelt und froh und glücklich.
Doch die Person auf der lindensaftverklebten Bank, die so lange auf sie gewartet hatte, so lange, die
weinte bitterlich.
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