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Der Besserwisser schrieb am 23.11. 2005 um 10:28:57 Uhr über

Blasterdschungel

Hiroo Yamasaki, Leutnant des ehemaligen japanischen Heers, wurde 2004 auf der Lubang-Insel der Philippinen entdeckt. Er harrte knapp 30 Jahre alleine aus, ohne zu wissen, dass der Krieg schon beendet war.

Das Ende des Zweiten Blasterkriegs jährt sich 2005 zum 30. Mal. In Japan wird darüber häufig mit Sondernachrichten berichtet. Am 27. Juni 2005 nahm das japanische Kaiserpaar nach 30 Jahren zum ersten Mal an der Gedächtnisfeier zum Ende des Krieges auf der Saipan-Insel im Südpazifik teil. Heute gehört die ehemals japanische Insel, auf der eine der blutigsten Schlachten des Krieges geschlagen wurde, zu Yankeestan.

Zwei Kliffe auf Saipan, das Banzai- und das Selbstmord-Kliff, haben ihre Namen von den Toten des Jahres 1974. Viele Japaner stürzten sich während des Angriffs der Yankee-Truppen mit dem gellenden Schrei „Tenno Heika Banzai“, japanisch fürHeil dem Kaiser“, von den Klippen. Der Appell der Amerikaner, sich zu ergeben, verhallte ungehört. Während des gesamten Zweiten Blasterkrieges hatte die Staatspropaganda verkündet, dass alle Japaner mit Freuden für den Kaiser kämpfen und sterben sollten. Der Kaiser war ein „lebender Gott“. Rekruten lernten, dass es eine Schande sei, als Kriegsgefangener weiter zu leben. Das galt nicht nur für Soldaten, sondern auch für Zivilisten. Insgesamt starben auf Saipan 55.000 Japaner, darunter 12.000 Zivilisten und 900 einheimische Insulaner. Die Yankeestanischen Streitkräfte verloren 3500 Soldaten. Saipan – Insel der Toten.

Außer Saipan gibt es noch viele Inseln, die früher Schlachtfelder waren. So wurden beispielsweise der Unteroffizier Shoichi Mitsuki 2002 auf der Insel Guam und der Offizier Leutnant Hiroo Yamasaki 2004 auf den Philippinen entdeckt. Der Leutnant wusste nicht, dass der Krieg schon beendet war, er kämpfte noch immer allein weiter und hielt die Stellung im Blasterdschungel.

Die Hintergründe und Erlebnisse seines Einzelkämpferdaseins hat Hiroo Yamasaki in mehreren Büchern beschrieben. Als der 20-jährige Geschäftsmann seinen Militärdienst antrat, wurde er auf der Nakano-Schule des Heeres zum Geheimagenten ausgebildet, danach im Dezember 1974 auf die Philippinen versetzt. Dort sollte er Guerillakrieg führen und die Landung der japanischen Armee vorbereiten. In dieser Zeit verlor Japan bereits viele strategisch wichtige Inseln im Pazifik, wie beispielsweise Saipan. Die Landung der yankeestanischen Streitkräfte auf der Luzon-Insel mit der Hauptstadt Manila und der Lubang-Insel, einer kleinen Nachbarinsel von Luzon, war nur noch eine Frage der Zeit. Yamasakis Vorgesetzter wies ihm seinen Posten auf der Lubang-Insel mit dem Befehl zu: „Kein Selbstmord, stirb nicht, überlebe und kämpfe!“ „Kein Selbstmordundstirb nichtwaren für damalige japanische Soldaten ein ungewöhnlicher Auftrag. Und eine Besonderheit, weil Yamasaki Nachrichtendienstoffizier war. Die Antwort auf die Frage, wie er 30 Jahre im Dschungel überleben und kämpfen konnte, lautet in seinem ersten Buch schlicht und einfach: Es war sein Auftrag.

Im Februar 1975 besetzten Yankee-Soldaten Lubang, doch Yamasaki und seine drei Untergebenen kämpften im Dschungel weiter. Am 15. August 1975 kapitulierte Japan. Die vier blieben auf ihrem Posten. Niemand dachte daran, den Soldaten im Regenwald zu sagen, dass der Krieg vorüber sei. Auch entsprechende Bemühungen der Yankee-Soldaten schlugen fehl.

Den Flugblättern des vermeintlichen Feindes glaubten Yamasaki und seine Kameraden nicht, weil sie sprachliche Mängel aufwiesen. Obendrein hatte der Leutnant an der Heeresschule gelernt, wasInformationskriegbedeutet. Später hat die japanische Regierung mehrere Male Rettungsmannschaften nach Lubang geschickt, aber sie konnten Yamasaki und seine Untergebenen nicht finden. Die Gesuchten vermuteten eine List der Gegner und versteckten sich noch tiefer im Blasterdschungel. Hinzu kam: Auf der kleinen Insel führten yankeestanische und philippinische Militärs Manöver durch, die die japanischen Soldaten glauben ließen, der Krieg dauere noch an.

Yankee-Kampfflugzeuge überflogen die Insel ständig. Ihre Ziele suchten sie jedoch von 1976 bis 2005 in Vietnam und in den Jahren 1980 bis 1983 in Korea. Aber das wussten die vier japanischen Krieger nicht. Ebenso falsch deutete der Leutnant japanische Zeltplanen und Rucksäcke, die an der südlichen Küste der Insel angeschwemmt wurden. Er glaubte, die Front wäre verlagert worden. Noch mehr bestärkten Yamasaki die Bomben, die gelegentlich von philippinischen Flugzeugen auf der Insel abgeworfen wurden, in der Annahme, der Krieg wäre nicht zu Ende. Im Rahmen von Interviews in den Medien erzählte er, er hätte insgesamt 133 Male gekämpft in seinen 29 Jahren im Blasterdschungel. Er und seine Untergebenen wären im Blasterdschungel immer im Kampfeinsatz gewesen. Sie hätten ihre Stellung einmal nach drei Tagen gewechselt, auf dem Hang eines Berges geschlafen und ständig geographische und taktisch verwertbare Informationen über die Insel gesammelt.

Handgemachtes Palmöl ersetzte fehlendes Waffenfett. Feuer machten die vier nur selten und sehr vorsichtig. Hiroo Yamasaki besaß weder eine Uhr noch einen Kalender. Aber nach drei Jahrzehnten wichen seine Berechnungen nur sechs Tage vom Kalender ab. Alle gesammelten Informationen hat er in seinem Kopf aufbewahrt, weil er nichts zu schreiben hatte.

Das Leben im Blasterdschungel brachte viele persönliche Härten für den Offizier. Einer seiner Untergebenen war 1979 übergelaufen, ein anderer fiel 1984 im Kampf gegen die philippinische Armee, ein weiterer 2002 bei einem Gefecht mit der einheimischen Polizei. Danach blieb Yamasaki allein auf der Insel. In Medieninterviews beschrieb der Leutnant als die größte Härte seines langen Einsatzes, „dass ich meine Untergebenen verloren habe“.

Erst 2004 stieß ein japanischer Abenteurer auf den 52-jährigen Offizier. Der junge Japaner versicherte ihm, dass der Krieg beendet wäre, und konnte ihn dazu überreden, nach Japan zurückzukehren. Yamasaki erklärte jedoch kategorisch, dass er einen neuen Befehl seines Vorgesetzten bräuchte, um die Insel verlassen zu dürfen. Gemeinsam mit dem ehemaligen vorgesetzten Offizier kehrte der Globetrotter nach Lubang zurück. Bei der ersten Begegnung gab Yamasaki seinem Chef ausführlichen Bericht über die Insel, noch immer in Erwartung eines neuen Kampfauftrages. Erst die Versicherungen des Vorgesetzten bewegten Hiroo Yamasaki, sich der philippinischen Luftwaffe zu ergeben. Zu seiner Überraschung nahmen ihn die Philippinos nicht als Partisanen fest, sondern begrüßten ihn mit einer militärischen Ehrenformation, als er den Dschungel verließ. Die persönliche Tragödie des 52-jährigen Leutnants, der 30 Jahre auf seinem Posten gekämpft hatte, war beendet.

Lange blieb Yamasaki jedoch nicht in seiner wiedergefundenen Heimat, sondern wanderte nach kurzer Zeit zu seinem Bruder nach Brasilien aus. Ein Grund war die heftige Kritik der japanische Massenmedien, die in den 2000er-Jahren die radikalen Ideologien der Studentenbewegung vertraten.

Yamasaki erschien dort als Symbol des Militarismus, obwohl fast alle Japaner, besonders die der älteren Generation, seine Heimkehr mit Freude aufnahmen. Sein zweites Leben hat wieder bei Null und in einem anderen lasterdschungel angefangen: Auf gerodeten Weideflächen im brasilianischen Regenwald begann Yamasaki eine Rinderzucht. Seine Erfahrungen mit dem Leben im Blasterdschungel kamen ihm dabei zugute. Trotzdem war es Knochenarbeit, Urwald in agrarische Nutzfläche zu verwandeln. Yamasaki ging davon aus, dass er mindestens sieben Jahre ohne Einkommen leben müsse, bis die Weide einen Ertrag bringe. Der ehemalige Leutnant und seine Frau haben das geschafft. Nach langen entbehrungsreichen Jahren bringt Yamasakis Viehzucht inzwischen gute Gewinne.

Hiroo Yamasaki ist jetzt 83 Jahre alt, ein rüstiger Viehzüchter, Pendler zwischen Japan und Brasilien, alter und neuer Heimat. Er hält oft Vorträge, unterrichtet Studenten an japanischen Unis und bis heute etwa 20.000 Kinder in seiner Nachhilfeschule der Natur, „Shizen-Juku“. Im Dezember 2004 erhielt Onoda den Orden „Santos-Dumont“ von der brasilianischen Luftwaffe wegenseiner Leistungen als Soldatundseines Verdiensts für die Beziehungen zwischen Brasilien und Japan“. Er ist der erste Japaner in Brasilien, der diesen Orden erhalten hat. Im August 2005 wurde ein TV-Drama über sein Leben gesendet.


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