Hätte ich vor 13 Jahren, also in der Zeit, als der Blaster noch in den Windeln lag, mal nicht gedacht, daß »Bio« mal cool sein würde.
Ich staune!
»Bio«, das war zu jener Zeit sowas für Jesuslatschen tragende alternative Lehrerinnen mit Phobien aller Art. Die trafen sich schwebend im einzigen Bioladen der Stadt, um mit ihrem hölzernen Einkaufskörbchen zwei dreckige Karotten, eine Fenchelknolle, ein Stück Sandseife extra kratzig und hundert Gramm Dinkelschrot für den fünffachen Durchschnittspreis einzukaufen. Glanzlose, vom vielen »Aber!« gefurchte Gesichter mit feiner Nickelbrille, alle Körperregionen, die Erotisches versprechen könnten, kaschiert (abgesehen von der Nippel-Show, denn BHs wurden aus Protest nicht getragen) - eine belächelte Gegenwelt, der der hart arbeitende Otto-Normalbürger wenigstens mit Mißtrauen, meistens mit Zynismus entgegentrat.
Heute - die Technik ist radikal in das soziale Mit- und Gegeneinander eingedrungen und hat den Umgang so schnell verändert wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte - heute ist »Bio« cool. Bei Aldi und sogar bei Lidl steht die Biomilch ganz selbstverständlich neben der bösen H-Milch und kostet nur unwesentlich mehr. Bio-Läden, -Cafés, -Restaurants, -Bars, -Bäckereien, -Spielwarenläden, -Boutiquen sind wie die Pilze aus dem Boden geschossen, und selbst an den Aktentaschen der BWL-Studenten prangt das gewissensberuhigende Bio-Siegel: Garantiert schmerzfrei getötetes Tier, hundertprozentig mit Bio-Futter ernährt, stets genug Freilauf gehabt. Die Mädchen lassen sich großformatig Blümchen aufs Dekolleté Tätowieren, die Jungs fahren klapprige, vierzig Jahre alte Herrenräder mit Stahlfelgen statt auf den Golf zu sparen. Man »teilt« zuckerfreie Käsekuchenrezepte bei Facebook via iPhone. (Freilich ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie viel kW/h eine einzige Google-Suche benötigt.)
Und überall diese Hornbrillen - das ist das Allerschlimmste!
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