Kretschmer (Psychiater, fast Nobelpreisträger) hat eine Arbeit über den »sensetiven Beziehungswahn« geschrieben, wenn ich mich nicht irre. Kurzer Blick bei Wikipedia: Er hat damit auch die Professorenwürde erreicht.
Später entwickelte er eine Typologie in der er Schlanke, Dicke (Neigung zum Fettansatz) u. Muskulöse Menschen jeweils psychologischen Grundverfassungen zuordnete. Sog. »Konstitutionstypen«. Ich persönlich stehe diesen Ansatz immer sehr zwiespältig gegenüber. Die heutigen Menschen halten das für absoluten Quatsch, weil sie glauben (!), dass der Körper nichts mit den Charakter zu tun habe. »Sagt doch über den Charakter gar nichts aus«. Und ja, dieser Gedanke kann zu ethisch problematischen Schlussfolgerungen führen.
Auf der anderen Seite aber, vermute ich, dass so eine Idee bei der empirischen Forschung vor den heutigen Wissenschaftlern kaum eine Chance hätte. Es würde schlicht niemand solche Forschung finanzieren.
Ich halte die Lehre von den Konstitutionstypen auch für Quatsch.
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Nun muss man feststellen, dass die Lehre von den Konstitutionstypen nicht rassistisch, sexistisch etc. ist. An sich lässt sich aus der Lehre logisch so etwas nicht herleiten. Dass der Autor auf Basis zusätzlicher Annahmen solche Zusammenhänge, etwa über Balkanvölker, herleiten wollte, ist dennoch unumstritten.
Wobei hier zwischen den Kostitutionstypen an sich keine Wertung stattfindet. Bei der Lektüre stellt man aber fest, dass K. eindeutig auf Seite der Pykniker ist. Also der Leute, denen er eine Neigung zum Fettansatz und zur manisch-depressiven Erkrankung zusagt. Die Leptosome u. Athletiker kommen nicht so gut weg. Die L. werden als tendenziell psychopathische Kopfmenschen präsentiert, die sich in Abstraktionen verlieren; die A. als impulsive Menschen, die zu Ausbrüchen neigen. Nur die Pykniker kommen als soziale Menschen relativ gut weg.
Noch mal zum Debuggen, falls jetzt jemand ernsthaft an die kretschmerschen Fantasiewesen glaubt: K.s Nachfolger gaben selbst zu, dass nicht jeder Körpertyp auch den mentalen Typ entspricht. Sprich, die strenge Verbindung zwischen den Konstitutionstypen wurde aufgegeben.
Es wird sogar von einem Test berichtet, in dem die Leute befragt werden, wie sehr sie menchlichen Umgang mögen und je anchdem werden sie eingeteilt.
In der modernen Psychologie der »Big 5« würde man diese »Konstitutionstypen« zurückführen auf die Achse »Introversion« u. »Extraversion«.
Viele führen die Unterscheidung auch darauf zurück, dass manisch-depressive Erkrankungen zumeist in älteren Jahren auftreten, während Schizophrenie meist um das 20 Lebensjahr ausbricht. Sprich: Falls sie es unfallfrei durch diese Phase ihres Lebens geschafft haben, spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie es weiterhin schaffen. Allenfalls könnten sie noch manisch-depressiv werden oder sowas.
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Warum beschäftigen wir uns mit solchen Ideen? Worin liegt die Anziehungskraft?
Nun, es ist existenzielles Fast-Food. »Sag mir wie du aussiehst und ich sage dir, wer du bist«, ein reizvolles Angebot für jeden, der auf der Suche nach sich selbst ist.
Und das sind junge Menschen, Leute in der midlife crisis, Leute nach schweren Zusammenbrüchen. Dann sucht man halt. Orientierung.
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