„Beige in Beton – Ein Abgesang auf Berlin und Deutschland“
Ein Text über das, was war, und das, was bleibt: Mittelmaß im Mantel.
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Es beginnt nicht mit Krieg.
Es beginnt mit Kaffee.
Mit Hafermilch im Altbau.
Mit Grau in Grau.
Mit Menschen, die reden, ohne zu sagen.
Und Straßen, die klingen, als hätten sie sich selbst aufgegeben.
Willkommen in Berlin.
Oder besser: im
textilen Nachlass einer Idee.
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Die Hauptstadt als Haltungsnachweis
Berlin trägt Hoodie.
Nicht, weil es hip ist –
sondern weil es sich nicht mehr traut, etwas zu wollen.
Was einst Subversion war,
ist heute Booking.com mit Graffititapete.
Der Stil?
Ironisch-neutral.
Das Lebensgefühl?
Ein Prekariat aus Performance und Pizza.
Die politische Klasse?
Rollkoffer mit Bullet Points.
Die Künstlerszene?
Gefördert, gefangen, verloren im eigenen Hashtag.
Hier will niemand mehr auffallen.
Aber alle wollen etwas signalisieren.
Am liebsten: Unschuld.
Im Zweifelsfall: Haltung.
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Deutschland: Das Land der sich selbst überlassenden Sicherheit
Berlin ist nicht das Problem.
Es ist nur der Ort,
an dem das große deutsche Vermeiden am deutlichsten wohnt.
Deutschland ist eine Nation im textilen Selbstschutzmodus.
Man trägt nicht, was passt –
sondern, was nicht stört.
Nicht, was steht –
sondern, was hält.
Nicht, was gefällt –
sondern, was korrekt ist.
Der Stolz wurde neutralisiert.
Die Lust – diffamiert.
Der Stil – vergessen.
Geblieben ist eine Funktionsjacke,
ein Rollkoffer,
und ein Tonfall zwischen Schuld und Selbstgerechtigkeit.
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Kultur als Eventformat
Kunst ist heute ein Sidekick der Immobilienverwertung.
Diskurs ist Kuratierung.
Authentizität ist ein Designfilter.
Und Mode?
Mode ist eine PowerPoint in Leinen.
In Berlin begegnen sich Menschen,
die sich lieber korrekt widersprechen,
als elegant über sich selbst zu lachen.
Man trägt Meinung,
aber keine Farbe.
Man hat Haltung,
aber keine Silhouette.
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Die Abwesenheit von Anmut
Deutschland, du warst mal gefährlich.
Verführerisch, dramatisch, schwer.
Heute bist du:
verregnet, reflektiert, reglementiert.
Dein Stil hat sich aufgelöst
wie Zucker in Sojamilch.
Selbst der Zorn ist hier archiviert.
Der Körper?
Verdeckt von Oversize.
Der Geist?
Versteckt hinter PDFs.
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Epilog aus Beton
Berlin ist müde.
Deutschland ist erschöpft.
Beide sind stolz auf ihre Müdigkeit.
Sie nennen es Komplexität.
Sie nennen es Bewusstsein.
Sie nennen es Verantwortung.
Aber es ist:
die Abwesenheit von Lust.
Von Glanz.
Von Geste.
Und so trägt man weiter:
Diskursgrau.
Verzichtsbeige.
Funktionsschwarz.
Und nennt das: Zukunft.
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