Die keltischen Belgae, zwischen 57 und 51 v. Chr. von Cäsar unterworfen, gaben dem Land den Namen. Im 5. Jahrhundert wurde das Gebiet des heutigen Belgien Kernstück des Reichs der salischen Franken. Es wurde 843 im Vertrag von Verdun zwischen Westfranken und Ostfranken geteilt. Erst unter burgundischer Herrschaft im 15. Jahrhundert wieder geeint, kam es als Erbe Marias von Burgund durch deren Heirat mit Kaiser Maximilian I. an das Haus Habsburg, bei dem es (seit 1555 als Spanische, seit 1714 als Österreichische Niederlande) auch nach der Brabanter Revolution 1789/90 bis 1793 blieb. Dann kam es an Frankreich und blieb bis 1814 französisch; auf dem Wiener Kongress wurde es mit den Niederlanden und Luxemburg zum Königreich der Vereinigten Niederlande zusammengeschlossen.
Der Brüsseler Aufstand vom 25. 8. 1830 und die Abwehr der niederländischen Rückeroberungsversuche im September 1830 leiteten die Unabhängigkeit Belgiens ein.
Ein Nationalkongress erließ 1831 eine parlamentarisch-liberale Verfassung mit Zensuswahlrecht und wählte am 4. 6. 1831 Leopold I. von Sachsen-Coburg zum König der Belgier (1831-1865). Die Londoner Konferenz von 1831 sanktionierte in den sog. 18 und 24 Artikeln die Unabhängigkeit und garantierte die Neutralität des Landes, die von den Niederlanden jedoch erst im Londoner Vertrag vom 19. 4. 1839 anerkannt wurden. Die westlichen Teile Luxemburgs und Limburgs kamen zu Belgien. Die Annexionspläne Napoleons III. zwischen 1867 und 1870 wurden von Bismarck vereitelt. Innenpolitisch beherrschten seit 1847 die Gegensätze zwischen Klerikalen und Liberalen, seit den 1860er Jahren zwischen Flamen und Wallonen das öffentliche Leben; seit den 1880er Jahren verschärfte sich der gesellschaftliche Konflikt durch die Forderungen der Sozialisten.
Die sozialen Gegensätze wurden gemildert seit 1884 durch eine soziale Gesetzgebung und durch die Einführung eines abgestuften allgemeinen Wahlrechts 1894 (mit Plural- und Listenwahlsystem). Die Sprachenfrage verlor zunächst an Schärfe durch die Anerkennung des Flämischen als Schul-, Amts- und Gerichtssprache in den Sprachgesetzen von 1873, 1878, 1888 und 1898. König Leopold II. (1865-1909) erwarb als Privatbesitz 1885 den Kongostaat, der 1908 von Belgien als Kolonie übernommen wurde.
Nach einer durch Befürchtungen vor einem möglichen deutschen Angriff hervorgerufenen stärkeren Annäherung an Frankreich und England kehrte König Albert I. (1909-1934) zur Politik der strikten Neutralität zurück, konnte jedoch im August 1914 Einmarsch und Besetzung durch die Deutschen nicht verhindern. Die deutsche Verwaltung, die sich fast ausschließlich auf die flämische Bewegung (Rat von Flandern) stützte, verschärfte den flämisch-wallonischen Gegensatz erneut. Im Versailler Vertrag erhielt Belgien die preußischen Kreise Eupen, Malmédy und St.-Vith und in Deutsch-Ostafrika das Mandat über Rwanda und Urundi; die Neutralität wurde aufgehoben und durch eine Militärkonvention mit Frankreich und ein Bündnis mit England ersetzt. 1922/23 beteiligte Belgien sich an der Besetzung des Ruhrgebiets. 1919 wurde das allgemeine und gleiche Wahlrecht eingeführt; in den Sprachengesetzen von 1932-1938 wurde in den flämischen und wallonischen Gebieten mit Ausnahme Groß-Brüssels die Einsprachigkeit durchgeführt.
Obwohl König Leopold III. (1934-1951) 1936 versuchte, zu einer Politik der bewaffneten Neutralität zurückzukehren, überfiel Hitler im Mai 1940 Belgien; der König geriet bei der Kapitulation in Kriegsgefangenschaft und wurde auf Schloss Laeken interniert, während sich die Regierung nach London ins Exil begab. Die deutsche Militärverwaltung wurde im Juli 1944 durch eine Zivilverwaltung unter einem Reichskommissar (Gauleiter Grohé) abgelöst, die sich auf flämische Nationalisten und die Rexistenbewegung L. Degrelles stützte. Nach der Landung in der Normandie wurde Belgien im September 1944 befreit und in den Grenzen von 1920 wieder hergestellt. Leopold III., vor allem von den Wallonen als Kollaborateur abgelehnt, ging ins Exil (Königskrise); sein Bruder Charles übernahm die Regentschaft. Aufgrund einer Volksabstimmung 1950 zurückgerufen (durch 57,7 % der Abstimmenden), musste Leopold III. wenig später auf sozialistischen Druck hin (Generalstreik) seinem Sohn Baudouin die Regierung überlassen und dankte am 16. 7. 1950 ab.
Wirtschafts- und Sozialreformen wurden bereits unmittelbar nach Kriegsende eingeleitet, und das Land erholte sich in der günstigen Wirtschaftskonjunktur nach 1945 schnell von den Folgen des Krieges. Die antiklerikale Bildungspolitik der sozialliberalen Regierung van Acker führte seit 1954 zum Konflikt mit der katholischen Kirche, der aber 1958 mit dem sog. Schulpakt beigelegt wurde. 1960 gab Belgien dem ehemaligen Belgisch-Kongo und 1962 Rwanda und Urundi die Unabhängigkeit. Ein gewachsenes Selbstbewusstsein der Flamen sowie wirtschaftliche Probleme in Wallonien verschärften seit Beginn der 1960er Jahre den Sprachenstreit. 1963 wurden die Sprachgrenzen auf Basis des Abkommens von Hertoginnendal gesetzlich festgelegt. Trotzdem behielt der Konflikt seine Sprengkraft. Die Volksgruppenparteien konnten bei Parlamentswahlen erhebliche Stimmengewinne erzielen. Durch eine Verfassungsänderung wurde Belgien 1970 in vier Sprachregionen (Wallonien, Flandern, das zweisprachige Brüssel und ein deutschsprachiges Gebiet im Osten) eingeteilt. Änderungen der Sprachgrenzen sollten künftig nur durch Gesetz möglich sein, wobei die Billigung durch alle Sprachgruppen in beiden Kammern des Parlaments vorausgesetzt wurde. Eine Verfassungsänderung von 1980 markierte mit der Einrichtung von regionalen Exekutiven eine weitere Abkehr von einem zentralisierten Staatswesen. 1984 erhielt auch die deutschsprachige Gemeinschaft eine eigene politische Vertretung. Durch eine Verfassungsänderung 1988 wurde Flandern und Wallonien volle Autonomie in der Wirtschafts-, Finanz-, Energie-, Umwelt- und Kulturpolitik übertragen. Im Jahr darauf erhielt die Region Brüssel ein eigenes Statut. Eine weitere Verfassungsänderung 1993 institutionalisierte endgültig den föderalen Status Belgiens. Im selben Jahr starb König Baudouin. Sein Bruder wurde als Albert II. neuer Regent. 1996 erschütterten Polizei- und Justizskandale, 1999 ein Dioxin-Skandal das Vertrauen der Öffentlichkeit in die politischen Institutionen.
Nach dem 2. Weltkrieg stellten die Sozialisten mit A. van Acker, P. H. Spaak und C. Huysmans den Ministerpräsidenten. Von 1949 bis 1954 wurden die Kabinette von Christdemokraten (G. Eyskens, J. Duvieusart, J. Pholien und J. van Houtte) geführt. Nach den Parlamentswahlen 1954 bildete van Acker eine Koalitionsregierung mit den Liberalen. Seit 1958 regierten mit Ausnahme des Sozialisten E. Leburton (1973/74) nur noch christdemokratische Ministerpräsidenten (G. Eyskens 1958-1961 und 1968-1972, T. Lefèvre 1961-1965, P. Harmel 1965/66, P. van den Boeynants 1966-1968, L. Tindemans 1974-1978, W. Martens 1979-1981 und 1981-1992, M. Eyskens 1981, J.-L. Dehaene 1992-1999) in Koalitionsregierungen unterschiedlicher Zusammensetzung. Nach den Parlamentswahlen 1999 bildete der Liberale G. Verhofstadt eine Koalitionsregierung aus Liberalen, Sozialisten und Grünen. Erstmals seit 1958 waren die Christdemokraten damit nicht an der Regierung beteiligt.
Belgien ist Gründungsmitglied der UNO, schloss sich 1948 der WEU, 1949 dem Atlantikpakt, 1952 der Montanunion, 1958 Euratom und der EWG an. 1992 billigte das belgische Parlament das Maastrichter Vertragswerk über die Europäische Union (EU).
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