Beamte haben Verantwortung. Sie treffen tagtäglich Entscheidungen, die ganz erheblich ins Leben der Bürger eingreifen. Deswegen fühlt sich der Beamte verpflichtet, seine Entscheidung so sorgfältig wie möglich vorzubereiten. Dafür bräuchte der Beamte eine Menge von Fachliteratur, die ihm jedoch aufgrund der Sparzwänge im der Verwaltung nicht zur Verfügung steht. Der einzige halbwegs aktuelle Kommentar zum Baugesetzbuch, der sich in einer unteren Baubehörde findet, steht im Zimmer des Dezernatsleiters, und setzt dort Staub an. Da eine Privatanschaffung eines solch teueren Fachbuches - ein Kommentar zum Baugesetzbuch liegt im mittleren dreistelligen Bereich ! - ausser für Jungbeamte wegen Reihenhaus- und Familienverpflichtungen verbietet, gibt es nur eine Lösung: schwierige Fälle mit Kollegen zu erörtern. Deswegen sind Beamte ständig mit Akten unter dem Arm auf den Fluren der Behörden unterwegs: sie wollen den Fall mit einem Kollegen besprechen. Kollege A. ist nicht in seinem Zimmer. Kollege B. trinkt gerade mit C. einen Kaffee. Kollege D. bietet dem Beamten seinerseits einen Kaffee an, hört sich dessen Vortrag über das Entscheidungsproblem an, und bekundet, auch keine Ahnung zu haben. Doch Kollege D. weiß, daß Kollege E. gerade von einer Fortbildung in dieser Materie zurückgekommen ist. Leider ist Kollege E. gerade noch im Urlaub. Deswegen beschließt der Beamte, die Sache erst einmal zurückzustellen, bis Kollege E. wieder greifbar ist. Dann wird es kein Problem sein. Mit dem Kollege E. verkehrt der Beamte nämlich auf freundschaftlichem Fuß - schließlich ist er sein Nachbar in der Reihenhaussiedlung. Man sieht sich jeden Tag. Aber selbstverständlich würde der Beamte niemals so unhöflich und zudringlich sein, seinen Kollegen und Nachbarn am Gartenzaun oder beim Samstagabendlichen Grillen auf den Fall anzusprechen. Das ist schließlich dienstlich !
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