»Beam uns hoch, Scotty!« Immer wenn es für die Crew des Raumschiffs Enterprise beim Landgang auf einem von schleimigen Kreaturen bewohnten Planeten irgendwo am Ende der Galaxis brenzlig, genügt ein kurzer Befehl an die Kommandozentrale. Scotty zerrt an ein paar Hebeln, Kapitän Kirk und Co lösen sich in glitzernden Nebel auf und tauchen im selben Augenblick im Transporterraum auf glühenden Gullideckeln auf.
Soweit die Phantasie. Wie aber steht es mit der Realität? Die Voraussetzungen sind dank der Quantenmechanik- der Physik der kleinsten Teilchen- gar nicht so schlecht. Quantenpartikel können wie durch Telepathie bestimmte Eigenschaften über beliebige Entfernungen ohne Zeitverlust auf einen Partner übertragen, ohne nach den Maßstäben der klassischen Physik wirklich in Verbindung zu stehen. Voraussetzung ist, daß diese Teilchen gemeinsam in einen seltsamen Schwebezustand versetzt werden, bei dem ihre Eigenschaften verwischt zu sein scheinen- bis eine Messung sie zwingt, sich für einen möglichen Zustand zu entscheiden. Das hatte der Physiker John Bell vom europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf schon 1964 erkannt- und damit Albert Einsteins These aus den dreißiger Jahren endgültig widerlegt, wonach solche »spukhaften Fernwirkungen« zu absurd seien, um wahr zu sein.
1993 ersann das Team von Charles Bennett vom IBM Forschungslabor in Yorktown Heights eine Methode, um Teilchen- oder zumindest Informationen über ihren Zustand über beliebige Distanzen zu »beamen«.
Wie die »Teleportation« ablaufen könnte, wenn sie nicht nur bei Elementarteilchen, sondern auch bei Alltagsgegenständen funktionieren soll, kann ein Beispiel erläuter: Das Faxgerät Teleport-2000 der Firma Star- Enterprises braucht keinen Anschluß an das Telefonnetz, auch keine Verbindung über Funk. Sein Geheimnis ist, das »telepathische Faxpapier«. Es wird immer im Zweierpack verkauft- die Papierrolle der Senders ist schwarz, die des Empfängers weiß. Legt der Sender namens Alice seinen Originalbrief in das Fax werden die Bildpunkte nicht wie üblich digital an den Empfänger (Bob) übertragen, sondern im Fax von Alice erst einmal auf das schwarze Papier gebrannt- wie bei einem Fotonegativ. Gleichzeitig wird das Original durch eine grelle Lampe gelöscht, zurück bleibt ein dampfender Originalbrief und die Kopie auf dem schwarzen Papier.
Im selben Moment erscheinen wie von Zauberhand schwarze Punkte auf der weißen Papierrolle von Bob. Sein Faxgerät kann kilometerweit oder gar am anderen Ende der Milchstraße stehen- die Information kommt ohne Zeitverlust dort an. Allerdings hat das Teleport- 2000 das Manko, daß grundsätzlich keine Absenderangaben übertragen werden. Alice muß also kurz bei Bob anrufen und ihm mitteilen, daß das Fax von ihr war.
Das Teleport- 2000 gibt es nicht und wird es auch nie geben- das Zauberpapier ist ein Reines Phantasieprodukt. Dafür gibt es ein Labor in den düsteren Katakomben des Hochhauses der Fakultät für Physik an der Universität Innsbruck. Am Ende eines langen Betonganges hinter einer Stahltür liegt ein Raum, der mit allerlei optischen und elektronischen Gerätschaften angefüllt ist. Dort steht das Experiment mit dem der Physiker Prof. Anton Zeilinger der Fachwelt eine Sensation beschert hat- und Enterprise- Fans die Hoffnung, Beamen könnte eines Tages mehr sein, als nur die Phantasie des Star- Trek Produzenten Gene Roddenberry.
Der 52jährige Zeilinger hat in jahrelanger Forschungsarbeit eine Versuchsanordnung auf die Beine gestellt, in der verschränkte Lichtteilchen (Photonen) die Rolle des magischen Faxpapiers übernehmen. Schwingt zum Beispiel die Welle von Lichtteilchen A horizontal, schwingt die von Lichtteilchen B vertikal und umgekehrt. Das hat schon John Bell vorausgeahnt, doch wie die Teilchen das machen ist bis heute ein Geheimnis der Quantenwelt geblieben.
Mit verschränkten Photonen läßt sich ein vortreffliches Telepathiefax bauen: Gelingt es ein drittes Photon C mit genau definiertem Zustand den Originalbrief- mit Photon A zu verschränken, verhalten sich auch diese beiden Teilchen wie Positiv und Negativ. Die logische Folge: Wenn sich Wenn sich Photon A und Photon B unterscheiden, weil sie verschränkt wurden und sich nun auch Photon A und C unterscheiden, müssen Photon B und Photon C gleiche Eigenschaften besitzen. Das heißt die Information von Photon C wird via doppelter Verschränkung über Photon A auf das Photon B des Empfängers kopiert.
Der experimentelle Aufwand für diese scheinbar einfache Übung ist enorm. Zunächst mußte das Team um Anton Zeilinger das erste verschränke Photonenpaar erzeugen. Dazu bedienten sie sich eines nichtliniaren optischen Kristalls. Vereinfacht gesagt, verdoppelt oder halbiert ein solcher Kristall die Schwingungsfrequenz des eingestrahlten Lichts. Die Physiker schickten Lichtimpulse eines rotstrahlenden Titan. Saphir- Lasers von nur 150 milionstel miliardstel Sekunden Dauer auf den Kristall und verdoppelten die Frequenz. Das entstehende UV- Licht schickten sie durch einen zweiten nicht- linearen Kristall, wodurch wiederum zwei Photonen des ürsprünglichen roten Lichts entstanden. Der Clou: Die Schwingungsebenen der beiden Photonen stehen exakt senkrecht aufeinander- die erste Voraussetzung für die erste Verschränkung.
Doch es gibt noch eine zweite wichtige Voraussetzung, die erfüllt sein muß: Die Photonen dürfen nicht wissen, welche Polarisation sie haben. Paradox? Nicht in der Quantenwelt: Sind die beiden Photonen richtig verschränkt, befinden sie sich in einer Art magischen Schwebezustand, in dem ihre eigenen Eigenschaften zunächst nicht festgelegt sind. Sicher ist nur: Sie sind auf jeden Fall verschieden. Wenn eines zum Beispiel durch eine Messung in einen bestimmten Zustand gezwungen wird, klappt der Partner sofort ins Gegenteil um. Anton Zeilinger hatte Glück: Aus dem Kristal treten die Photonen eines Paares auf den Oberflächen zweier gedachter »Lichtkegeln« aus. Dort wo sich die Kegel durchdringen, ist die Schwingungsrichtung beider Photonen unbestimmt und damit verschränkt.
In dem nicht linearen Kristall erzeugten die Physiker ein weiters Photonenpaar, Photon C prägten sie eine bestimmte Polarisation auf Photon nutzten sie, um die Meßgeräte im richtigen Moment zu aktivieren.
Ist das Innsbrucker Experiment wirklich der Startschuß für Scottys Transporterstrahl an Bord der Enterprise? Nicht ganz, denn es gibt feine Unterschiede: Bei der Enterprise werden Kirk und Mister Spock an einer Stelle »vernichtet« und an einer anderen Stelle wieder »materialisiert«. Auch im Labor der Innsbrucker Uni wird Photon A beim Sender vernichtet, doch am Ort des Empfängers muß schon ein Photon vorhanden sein. bei Zeilingers Teleportation wird also nicht wirklich ein Quantenteilchen von Alice zu Bob transportiert, sondern es wird nur die Information über eine einzige bestimmte Eigenschaft- in diesem Fall die Polarisation- übermittelt und von einem Partikel auf ein anderes kopiert. Kapitän Kirk und seine Crew müßten also zweimal vorhanden sein und würden von Scottys Transporterstrahl abwechselnd mit Leben gefüllt.
Auf die von Journalisten zigfach gestellte Frage, wann der erste Mensch gebeamt wird, antwortet der Physiker mit einem Kopfschütteln:» Das können wir ein für allemal vergessen.« Würde man einen Menschen mit einer fiktiven Apparatur mit atomarer Auflösung abtasten, fielen 1032 Bit an Informationen an (eine Zahl mit 32 Nullen). Selbst wenn man Details über die Art der Atome oder ihre Wärmebewegung beiseite ließe, würde die Daten, auf CD-ROM gepreßt, einen Würfel von 1000 Kilometer Kantenlänge füllen. Mit den schnellsten Glasfaserverbindungen übertragen müßte Mister Spock mindestens zehn Milliarden Jahre warten, bis seine Ohrspitzen ins Raumschiff gebeamt wären.
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