Ich ließ mich von der masochistischen Denkweise sehr leicht überzeugen, daß ich eine Frau sei, die aus der normalen, weiblichen Sanftheit ausbrechen müsse. Ich war überzeugt, daß wenn ich nur mehr Schmerz als jeder andere aushalten würde, man mich endlich als gleichwertig mit den Männern ansehen würde, sogar als wahrer Krieger. Ich konnte mich vorher nie in irgendetwas beweisen, ich hatte keinen Zugang zum Sport oder anderen Männlichkeitsritualen. Ich war die Klassenletzte, immer gehänselt und körperlich benachteiligt, übergewichtig und sozial unfähig. Ich weiß heute, daß gerade diese Typen Frau die bevorzugten Opfer für die Verstrickungen mit SM-Seiten [wie Insex] sind. Frauen mit Mißbrauchsvergangenheit, die aus ihrer harten Kindheit nur gelernt haben, ganz still mehr Schmerz als andere zu ertragen. Als ich mit Insex arbeitete, sagte man mir, daß die Erfüllung darin läge, den Schmerz »wegzuschlagen«. So würde ich mich dissoziieren und mich von meinem inneren Selbst lösen und in ganz andere Sphären driften, wo es weder Schmerz, Lust oder Empfindung gäbe, was manche als »Out-of-body«-Erfahrung bezeichnen.
Die SM-Szene nennt diesen Zustand »Subspace« und beschreibt ihn als einen, in dem Schmerz und Lust eins werden. Um dorthin zu gelangen sei es nötig, mit dem Denken und dem Kontrollieren aufzuhören und sich einfach fallenzulassen. Man solle lediglich reagieren, ohne darüber nachzudenken, warum man reagiere.
Das ist der geistige Zustand von Tieren, die versklavt werden, sie sind in einem konstanten Gefühl von Schock und Trauma, sie taumeln von einem Gefühl des Schmerzes zum nächsten und werden gezwungen, damit klarzukommen und zu akzeptieren, daß ihre ganze Existenz aus Leid besteht.
Man stelle sich nur eine Gesellschaft vor, in der die Menschen nur akzeptieren und sich unreflektiert gehenlassen. Ist das nicht das Hauptproblem, daß Menschen sich zu schnell an das gewöhnen, was sie als soziale Norm wahrnehmen? Wenn jede Lebensform nur eine Nummer ist, dann wird Leben zum Wegwerfartikel.
Ich wachte plötzlich auf und wußte, daß ich nicht der Krieger war, weil ich zeigte, wieviel Schmerz ich ertragen konnte, ich tat lediglich etwas, das jeder kann. Jeder kann sich fesseln, knebeln und schlagen lassen, das ist nichts Besonderes oder Einzigartiges. Genau wie mit vielen Berufen sind es lediglich Handwerkskünste, die Lücke wird ganz schnell mit irgendwem aufgefüllt oder mit einer Selbstdarstellung, die aus der Kultur des Scheins begründet ist.
Ich hielt mich lange Zeit für »alternativ« und hatte eine Schwäche für Menschen, die sich »komisch« kleideten, die Piercings oder Tätowierungen hatten, aber jetzt sehe ich, daß das bloß Hinweise auf die Person dahinter sind.
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