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Freno schrieb am 13.7. 2020 um 23:18:39 Uhr über

Büßer

Die Buße ist nicht nur ein theologischer, sondern auch ein psychologischer Begriff: wer einen anderen physisch oder psychisch verletzt hat, ohne daß ihm ein 'guter Grund' als Rechtfertigung zur Seite stehen kann, sieht sich einem Schuldvorwurf nicht nur von aussen, sondern auch von innen, aus seinem Unbewußten - konkret dem Über-Ich, dem Gewissen - ausgesetzt. Durch die Buße versöhnt er sich sowohl mit dem Über-Ich, als auch mit dem Verletzten, die ihm beide Verzeihung gewähren können, womit der innere wie äussere Friede wieder hergestellt ist. Das »Strafmaß« für diese Buße hat eine enorme Bandbreite. Sie reicht von einer puren Geste - »Sorry- bis zur Aufopferung des Büßers im Selbstmord, Heldentot oder Märtyertum.

Der »Kulturmensch« (Freud) des christlich-abendländischen Kulturkreises ist zum Büßer berufen durch die »Erbsünde« im theologischen Sinne, welche sich psychoanalytisch als den introjizierten Schuldvorwurf aus dem Ödipus-Konflikt darstellt: das Kind, daß (im Regelfall) den gegengeschlechtlichen Elter begehrt hat, wird zurückgewiesen und mit einen heftigen Schuldvorwurf konfrontiert, den es »in sich hinein nimmt« (introjiziert). Doch es gibt auch noch eine andere, seltenere Rolle, in der dieses Trauma »re-inzseniert« werden kann, nämlich mit umgekehrtem Vorzeichen nach dem Abwehrmechanismus der Verkehrung ins Gegenteil bzw Wendung nach aussen. Aus dem Büßer wird so der Bußprediger, der anderen die ursprünglich eigene Schuld vorwirft und Buße von ihnen verlangt. Büßer und Bußprediger stehen also in einem komplimentären und doch auch korrespondierendem Verhältnis wie Masochist und Sadist.

In dem Maße, in dem die christliche Religion an Zugkraft verloren hat, ist die Wissenschaft als Vernunftsreligion an ihre Stelle getreten und der WissenschaftlerExperte«) übernimmt gemeinsam mit dem Politiker die Rolle des Priesters, wird zum Bußprediger, der die Büßer genauso wie der Kleriker als »Laien« bezeichnet.

Wer auf Fleisch, gar auf alle tierischen Produkte verzichtet, große Opfer und gewaltige Anstrengungen für den Kampf gegen den Klimawandel auf sich nimmt, unterscheidet sich tiefenpsychologisch gesehen überhaupt nicht vom Flagellanten und Pilger früherer Zeiten, ist nichts anderes, als ein religiöser Fanatiker.


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