15.11.2009
Heute wurde Robert E., ein Fußballer, der sich wegen Depressionen das Leben nahm, in einem Fußballstadion in einer Trauerfeier verabschiedet.
Eine Zeitung titelt:
»Kein Opfer unserer Zeit«
Das ist wohl mehr eine philosophische Frage, die sich in beide Richtungen beantworten lässt.
Opfer unserer Zeit, weil wir Menschen mit Schwächen oder Erkrankungen noch mehr treten, als das früher der Fall war. Sie haben keinen privaten Raum mehr, weil nur noch die wenigsten Menschen wirklich schweigen können und bereit sind, ihre Freunde für 1000 € in einer Fernsehshow zu outen. Privatleute als Paparazzi mit Fotohandys, die jede kleine Bewegung Prominenter dokumentieren.
Kein Opfer unserer Zeit, weil das schon immer so war.
Ich finde die Statements von einigen Funktionären verlogen. Es ist doch so, das gerade im Fußball alle Spieler harte Männer zu sein haben. Das sie Menschen sind und auch Schwächen oder Erkrankungen haben, will keiner wahrnehmen.
Die gegnerischen Fans sind unmenschlich geworden, weil sie in Gesängen die Spieler der anderen Mannschaft runtermachen, als schwul und verweichlicht bezeichnen. Jede auch noch so kleine Gelegenheit oder Tatsache wird für diffamierende Äusserungen mißbraucht.
Viele dieser Schreihälse sollten sich den Spiegel vor das Gesicht halten und überlegen, ob sie selber noch hineinsehen können. Diese Grausamkeit ist die moderne Variante des Daumensenkens der Römer bei den Spielen der Gladiatoren. Darin steckt auch der Neid auf die modernen Gladiatoren mit ihren Millionengehältern. »Die haben das auszuhalten, dafür werden sie bezahlt.« Sie haben wie Kampfmaschinen zu funktionieren, und sind doch nur Menschen aus Fleisch und Blut.
Sie fühlen und denken wie Du und ich. Trotzdem kennen wir für sie keine Gnade, die wir uns für uns selbst wünschen würden, wären wir in einer ausweglosen Situation.
Seid wieder menschlich miteinander, dass ist aus meiner Sicht das Kernproblem. Nehmt Euch wieder als Menschen wahr, nicht als seelenlose Maschinen. Bin ich zu weich, wenn ich das einfordere? Sind meine Ansprüche an meine Mitmenschen zu hoch? Oder bin ich verschroben geworden, weil ich einen zu starken sozialen Faktor in den Dingen sehe. Passt diese Welt zu mir oder ich zu ihr?
Liebes Bärentagebuch, es ist schon schwierig, wenn ich immer wieder frage und doch keine Antworten bekomme. Ich will mir die Antworten ja selber geben, aber dazu muss ich mehr nachdenken können.
Jedenfalls soviel steht fest, das Schreiben zwingt mich, mich zu konzentrieren und lässt mich während des Vorgangs bereits beginnen, nachzudenken.
So denke ich auch darüber nach, was während einer Veranstaltung in Stuttgart gesagt wurde. Die Vortragenden vermittelten den Eindruck, das sie Mäusedompteure sind und die Schreiber hier ihre Mäuse. Ich habe mir vorgenommen, mich genau dazu nicht zu machen. Dieses Rad hier will ich in meinem eigenen Sinn nutzen. Ich werde hereinspringen, wenn es mir passt, und auch wieder hinaus. Die Vortragenden haben einfach übersehen, das sie es auch mit Menschen zu tun haben, die sie in einem arrogant-näselnden Stil desavouieren.
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