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Panchan schrieb am 13.8. 2004 um 01:53:26 Uhr über

BärbelSchäfer

'Ich trete aus!

Hiermit gebe ich meinen Austritt aus dem Judentum bekannt. Ich weiß, die Sache ist nicht einfach. Man kann nicht aus einem Verein austreten, in den man nicht eingetreten ist sondern ungefragt hineingeboren wurde. Aber genau darin liegt der Grund meines Austritts. Denn man kann auch nicht einem Verein beitreten, dem man nur durch Geburt angehört.

Es gibt keine Tür zum Judentum, über der auf der einen Seite »Eingang« und auf der anderen Seite »Ausgang« steht. Jeder Mensch kann Israeli werden, so wie man Amerikaner, Deutscher oder sogar Schweizer werden kann, aber Judewerden, das geht nicht. Wer etwas anderes behauptet, der irrt, spinnt oder lügt.

Ich trete nicht aus, weil ich mit der Politik von Ariel Scharon nicht einverstanden bin, so wie brave Katholiken aus der katholischen Kirche austreten, weil sie den Papst und dessen Haltung zur Geburtenkontrolle nicht mögen. Ich trete nicht aus wegen Noam Chomsky, Norman Finkelstein, Uri Avnery, Avi Primor oder Gilad Atzmon, nicht einmal wegen Seligmann, Schneider und Melzer, also nicht wegen all der jüdischen Ranschleimer, Alibilieferanten und Persilscheinproduzenten, obwohl ich zugeben muss, dass ich mit diesen Leuten gerne nix gemeinsam hätte. Ich trete aus, weil Bärbel eingetreten ist, weil sie eintreten durfte. Wir haben nämlich ein Abkommen miteinander gehabt: Ich produziere und moderiere keine Trash-Sendungen, sie tritt nicht über. Ich habe mich an das Abkommen gehalten, sie nicht. Das wars.

Wenn es etwas Sympathisches am Judentum gibt, das es von anderen Religionen unterscheidet, dann ist es zweierlei: Das Fehlen einer zentralen Autorität und die Ablehnung von Missionsarbeit.

Jeder Rabbiner ist das Oberhaupt seiner Gemeinde und kann praktisch machen, was er will. Natürlich im Rahmen der Thora, aber wie er sie auslegt, ist seine Sache. Ich habe vor kurzem eine schwule Synagoge in L.A. besucht, die von einer lesbischen Rabbinerin geführt wird. Natürlich gehören auch Heteros und »normale« Familien der Gemeinde an, natürlich sitzen Männer und Frauen zusammen und natürlich kommen alle mit ihren Autos zum Freitag-Abendgebet und parken auf dem Hof der Synagoge. Zwei Block weiter gibt es eine streng orthodoxe Gemeinde. Die Männer tragen Hüte, Schläfenlocken und schwarze Kaftans, die Frauen haben einen »Scheitel«, beten separat und alle kommen und gehen zu Fuß, weil man am Sabbat kein Feuer machen, also auch kein Auto fahren darf. Die orthodoxen Juden lassen die schwulen Juden in Ruhe und umgekehrt natürlich auch. So gehört es sich, so muss es sein. In Nordirland schlagen derweil Katholiken und Protestanten aufeinander ein, und die Phantasie, es könnte in Riad oder Islamabad eine offen schwule Moschee mit einer Frau als Mullah geben, wäre sogar als Fata Morgana völlig unglaubwürdig.

Das Judentum will sich auch nicht verbreiten, weder durch das Wort noch durch das Schwert, es will ein kleiner exklusiver Zirkel bleiben, wie früher American Express, als man noch zwei Bürgen benennen und die Kontoauszüge vorlegen musste, wenn man aufgenommen werden wollte. Heute bekommt man die AE-Karte auf jedem Flughafen oder Bahnhof nachgeschmissen. Das Judentum dagegen macht es den Möchtegern-Juden noch immer schwer. Wer übertreten will, wird erst dreimal abgewiesen, die anschließende Prozedur ist so mühsam, dass viele weit vor dem Ziel aufgeben. Nur die Hard-Core-Junkies schaffen die ganze Strecke.

Allerdings: »Wer die richtigen Leute kennt, der braucht keine Beziehungen« (Gad Granach), der Satz gilt überall im Leben. So wie gesetzestreue Katholiken ihre Ehe vom Vatikan wegen »Nichtvollzugs« annullieren lassen können (auch wenn es Kinder gegeben hat!), so gibt es auch Möglichkeiten, dem Judentum etwas schneller und müheloser beizutreten, als es die Regeln vorschreiben. Nicht alle Leute, die einen Dr. in ihrem Namen haben, haben eine Doktorarbeit geschrieben, manche haben den Titel einfach gekauft. Steht er erstmal auf der Visitenkarte, fragt niemand, woher er kommt, von der Sorbonne oder einem Bootsverleih in der Karibik.

Solche Optionen soll es auch für Kandidaten geben, die es mit der Konversion eilig haben oder es gewohnt sind, dass man im Leben alles kaufen kann. Denn Rabbiner sind auch nur Menschen. Und was ist wichtiger: Eine neue Küche im Gemeindezentrum, ein großer Kindergarten oder rigoroses Einhalten der Regeln? Keine Regel ohne Ausnahme, das Judentum hat nicht nur 613 Gebote und Verbote, es hat auch eine pragmatische Seite.

Ich weiß nicht, wie Bärbel es geschafft hat. Aber ich kann es mir kaum vorstellen, dass sie Hebräisch gelernt und die Bibel studiert hat, dass sie sich verpflichtet hat, einen koscheren Haushalt zu führen, keine Krabben zu essen, vor dem Pessach-Fest jeden Krümel Brot aus dem Haus zu fegen und an Jom Kippur zu fasten. Ich kann es mir auch nicht vorstellen, dass sie am Freitagabend Kerzen anzündet, »Oj Gewaltruft, wenn sie im Bus angerempelt wird und »Gojischer Kopfmurmelt, wenn sie Peter Sloterdijk im Philosophischen Quartett sieht. Und dass sie, wenn auf einer Unicef-Gala das Gespräch zufällig auf Antisemitismus kommt, fragt: »Warum werden wir Juden eigentlich verfolgt

Was ich mir dagegen sehr wohl vorstellen kann, ist, dass sie demnächst eine Talk-Show mit dem Titel »Chuzpe« moderiert.

Ich gönne jedem sein Vergnügen, ich habe auch nix gegen Rassenschande, im Gegenteil, sie macht Spaß und bringt die Völker auf eine angenehme Weise zusammen. Und ich habe größten Respekt und tiefe Bewunderung für die christlichen Frauen, die sich im Dritten Reich für ihre jüdischen Männer einsetzten (während die arischen Jungs ihre »Saras« im Stich ließen, wie z.B. Heinz Rühmann), ich hab nur was gegen Trittbrettfahrer, denen es egal ist, auf welchem Zug sie gerade mitfahren. Vorgestern Waffen-SS, übermorgen »Attack«, gestern Kalamari, morgen Ketuba. Und heute Fingerfood. Das ist mir zu flott, zu postmodern. Das geht nicht.

Und deswegen trete ich jetzt aus. Ganz korrekt und mit rabbinischem Beistand. Wenn Bärbel einen Rabbiner gefunden hat, der sie aufgenommen hat, werde ich wohl einen finden, der mich rausschmeißt. Es muss ja nicht ganz umsonst sein.'

(Henryk M. Broder)


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