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M*, am 21.2. 2006 um 17:06:24 Uhr
Ausnahmesituation

Meine Sorgen hätte ich haben wollen, und wo ich sie jetzt habe, ist es mir auch nicht recht. Vorhin trudelten fast zeitgleich Mails von G* und W*, dem enigmatischen Westfalen, ein. W*s Mail wie sein Auftreten, gewandt, charmant, nicht ganz uneitel, wortreich und dennoch, ja dennoch, offen. Über den ominösen Flaschenzug schrieb er, der sei eigentlich nur noch dort angebracht, weil er den Dübel nicht ohne Maurerarbeiten aus der Wand bekäme, ansonsten käme der wirklich nur auf ausdrücklichen Wunsch und SEHR (wie er betonte) selten zum Einsatz. Er lädt mich für übernächste Woche ein, weil er mich sehr sympathisch fände und wir zu wenig Gelegenheit gehabt hätten, uns auf der Party zu unterhalten. Er käme aber auch selber runtergefahren...
Die Post von G* dagegen gewohnt knapp, man merkt seinem Schreiben an, dass private Notizen für ihn eher die Ausnahmesituation sind. Aber in den wenigen dürren Zeilen ein größtmögliches Maß an ehrlicher Freundschaftsbezeugung. Bei seiner Post hat mein Herz deutlich höher geschlagen. Andererseits würde es mich schon reizen, mir mal einen Abend lang W*s bewegte Vita erzählen zu lassen und letztlich muss man ja nicht bei jeder neuen Bekanntschaft gleich an Partnerschaft oder Affären denken. Doch es täte mir leid, wenn W. sich womöglich falsche Hoffnungen macht, wozu inserierte er denn in einer Partnerbörse, Freunde und Bewunderer hat er mit Sicherheit auch so genug. Ich habe überhaupt keine Lust, gleich zu Beginn einer Freundschaft auf der einen und (vielleicht) einer Liebe auf der anderen Seite mit Halbheiten und Pokerzügen zu beginnen. Aber auch keine Lust, wo sowieso alles noch derartig in der Schwebe ist, mein Gewissen über Gebühr zu belasten. Trotzdem bleibt ein Beigeschmack, sehe ich mich als eine Art Manipulator wider Willen. Und um das ganze weiter zu verkomplizieren, hat sich für morgen der Schiedsrichter vom Niederrhein angemeldet. Wobei ich ehrlich genug sein will, einzuräumen, dass bei mir hier weder Herz noch Moral sonderlich beteiligt sind - bei ihm auch nicht. Er ist sozusagen das leichteste Bauernopfer in diesem Spiel.
Aber du liebe Güte, was sind das alles für Überlegungen...

Reiten war klasse. Vorher noch eine halbe Stunde ganz für mich allein das Pferd gesäubert und gestriegelt. So ein ganz leicht mulmiges Gefühl bleibt ja, wenn ich an den Hufen oder unterm Bauch so eines Zossen rumfuhrwerke, 600 Kilo mäßig vernunftbegabtes Leben, schreckhaft noch dazu (Pferde sind Fluchttiere). Aber dann albert es wieder mit dir rum, zupft dich an der Jacke, legt seinen Kopf auf deine Schulter und schaut dich so ulkig von schräg unten an - lässt zwischendurch fürchterlich einen fahren - klappt mit den Ohren rum - und wenn es dann auch noch einen guten Tag in der Bahn erwischt, ist es die zweittollste Sache von der Welt. Womit ich wieder bei der Ausgangsproblematik wäre, seufz.


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