Sehr bemerkenswert ist es, daß die Kultur die natürlichen Sexualgerüche vielfach durch künstliche ersetzt hat, die sogenannten Parfüme, deren Ursprung sich zum Teil an die Nachahmung oder Verstärkung der natürlichen Ausdünstung knüpft, zum Teil aber auch, besonders in späterer Zeit, auf ein Bestreben, die letzteren zu verdecken, zurückzuführen ist, wenn nämlich diese Ausdünstungen einen unangenehmen Charakter annehmen. Daher finden wir neben so scharfen Parfümen wie Zibet, Ambra, Moschus, auch sehr milde, wie viele pflanzliche Riechstoffe. Die starke, sexuell erregende Wirkung dieser künstlichen Duftstoffe wird besonders von Frauen, speziell käuflichen Weibern, benutzt, um die Männer anzulocken.1) Oft genügen auch schon einfache Blumendüfte für diesen Zweck. Krauß berichtet, daß beim Kolo-Tanze der Südslaven die Mädchen stark duftende Blumen und Sträucher am Busen befestigen und dadurch in den Burschen einen wilden Geschlechtstrieb erregen. Im Orient spielen die sexuellen Reizungen durch den Geruchssinn überhaupt eine weit größere Rolle als in Europa.
1) Nach Laurent (Die krankhafte Liebe, Leipzig 1895, S. 133 bis 134) benutzen die gemeinen Dirnen mit Vorliebe Moschus, die jungen Arbeiterinnen Veilchen- oder Rosenduft, die Damen der Bourgeoisie die durchdringenden Gerüche, wie weißen Heliotrop, Jasmin, Ylang-Ylang, die Halbweltlerinnen feinere Parfüme oder solche, »die kompliziert sind wie ihre Laster,« z. B. Corylopsis, Maiglöckchen- oder Resedaduft.
Iwan Bloch, Das Sexualleben unserer Zeit (1909); S. 19
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