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Die Leiche schrieb am 20.12. 2007 um 13:04:56 Uhr über

Aufschneiderei

Eigentlich stehe ich ja nun auf knabenhaft schlanke Frauen, Dürre und Flache, bei der man sich eigentlich, nach Arno Schmidt, homosexuell vorkommen müsste (der gute war mit einem drallen Weib verheiratet gewesen). Oftmals habe ich mich gefragt, woran das liegt. Erster Erklärungsversuch war meine eigene Muggelichkeit, die weiss Gott nicht auf frauliche Fettpolster an der Brust oder am Arsch angewiesen ist. Dann vermutete ich, meine Bisexualität könne was damit zu tun haben: Knabenhafte Frauen sind immerhin Frauen, aber man könnte sich trotzdem vorstellen, daß sie Knaben wären - vor allem von hinten, ähim. Der letzte Erklärungsversuch sieht so aus, daß die »fraulichen« Frauen mit den breiten Hüften, prallen Brüsten und imposanten Po's mir zu sehr nach Schwangschaft, Gebähren und Mutter ausschauen - als glücklicher Erbe gewisser genetischer Deformationen meiner lieben Eltern wäre es mir jedoch höchst unlieb, diese Leiden auch ebenso bedenkenlos an künftigen Generationen weiterzureichen, wie es diese verantwortungslosen Arschlöcher waren, die mich buchstäblich in die Welt gefickt haben. Die hageren, dünnen Frauen mit schmaler Hüfte, an denen so garnichts an Fortpflanzung erinnert, sind da doch irgendwie beruhigender - oder nicht ?

Es ist selten, daß mir solche weiblichen Frauen über den Weg laufen, die einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.
Eine dieser seltenen Schmetterlinge, die als vertrocknetes Bild in den Wandelgängen meines Gedächtnisses verstaubt, ist eine junge Südfranzösin, die ich in meinem ersten Urlaub dort - eben nicht kennengelernt habe.
Es war an einem Flußufer, einer Stelle, wo nackt gebadet wurde. Ich war dorthin gekommen auf einer - natürlich ebenso nackten - Erkundungstour vom Campingplatz etwas weiter flußaufwärts. Wegen der groben Kiesel lies es sich nur schlecht und unter skurrilen Verrenkungen gehen, und so ließ ich mich gleich dort am Ufer nieder, wo auch diese junge Frau lag. Ok, ich gebe zu, daß ich auch diese junge Frau schon beim Schwimmen aufs Korn genommen habe. Denn sie war wirklich aussergewöhnlich schön. Braungebrannt von der Sonne, mit einer lockigen Matte dunkelblonder Haare, einem leicht slavisch anmutendem, feinmodeliertem Gesicht, perfekten, straffen Brüsten, einem sanft gewölbtem Bauch, elegant ausrasierter Scham und vollen, herrlich langen Beinen. Aber am tollsten waren ihre ebenso vollen, herrlich langen Augenbrauen gewesen. Noch keine Zigarettenlänge lag ich also da, in diesen wundervollen Anblick dieser jungen Frau, naja, so Mitte zwanzig wird sie gewesen sein, da kam so ein »50-jähriger sabbernder Kerl« an, mit Spitzbart, Spitzbauch und Brille, der sich vor der jungen Frau niederlies, und begann, auf sie einzureden. Die Frau setzte sich auf, in dieser klassischen Haltung mit den Armen um die Knie geschlungen, und sagte nur wenig. Ich war nahe genug, um zu hören, daß es französisch war - und um zu sehen, wie der sabbernde Kerl ständig an seinem Gehänge rumfummelte.
Und da begab es sich, daß diese wunderschöne junge Frau immer öfters zu mir herübersah, und mich demonstrativ anlächelte, während sie dem Lustgreis (meine Güte, in 8 Jahren bin ich auch einer!) nur demonstrativ würdevollen Ernst entgegnblickte. Es war ein offenkundiges SOS, mich gefälligst als Kavalier zu betätigen, und diese Schönheit von diesem sabbernden Spitzbart zu erlösen. Französische Wortfetzen sausten im Orbit meiner Hirnschale umher: »Aweh wuh duh föh sill wuh pläh ?« Verdammt, ich rauchte doch schon - irgendetwas muß man doch sagen, ausser »Bonhschuhr Madahm«, Scheisse, man kann doch zu so einer jungen Schönheit nicht »Madamme« sagen - Mademoiselle ? Das ist Frauenfeindlich in Deutschland - und in Frankreich ? Scheisse, Scheisse, Scheisse. Und während ich mir so den Kopf zermartete, gewann die junge Schönheit die Einsicht, daß von mir keine Rettung zu erwarten sei. Sie stand auf, lies sich ein naturleineres Kleid über den Kopf gleiten (ohne Höschen ! sabber !) und taillierte es mit einem breiten Gürtel aus geflochtenen Lederriehmen mit einer hölzernen Schnalle, schlüpfte in Stoffschuhe, und ging. Der Sabbergreis zog auch seiner Wege auf der Suche nach einem anderen Stück Fleisch.
Und ich saß also nun da, mit meinen Sprachbrocken im Hirn und meiner Angst und Scham und dem Gefühl, als Mensch, als Mann und im Urlaub und überhaupt vollkommen versagt zu haben. Und die Phantasieen, was hätte passieren können, wenn ich nicht so blöde gewesen wäre, hingegangen und einfach drauflos »mit Händen und Füssen« gearbeitet hätte, die gehen mir noch nach zehn Jahren nicht aus dem Kopf ... ich glaube, einige davon treiben sich sogar hier im Blaster herum.


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