»Atlas Shrugged«, das wohl einflussreichste Buch über die ethischen Grundlagen des Kapitalismus, hat wie »The Fountainhead« die Form eines spannungsgeladenen Romans, der Ayn Rands großem Vorbild Victor Hugo alle Ehre tut. Zugleich jedoch bleibt es ein Werk von größter philosophischer Tiefe, das in seiner kristallenen Klarheit jede akademische Abhandlung in den Schatten stellt. Und: Man findet immer wieder, dass die Welt, in die Ayn Rands Fiction uns entführt, alles andere ist als pure Phantasie. Ein Blick in die Zeitung genügt. Die Realität, der wir da begegnen, mutet an wie der tägliche Versuch, Dichtung Wahrheit werden zu lassen.
Das Buch, von dem weltweit jährlich über 100.000 Exemplare verkauft werden, ist in Deutschland immer noch wenig bekannt. Das mag an dem Credo liegen, in dessen Geist es geschrieben ist:
»Ich schwöre bei meinem Leben und bei meiner Liebe für das Leben: Ich werde nie für andere leben, und ich werde nie von anderen erwarten, dass sie für mich leben.«
Dieses Credo geht aus einer Philosophie hervor, der Ayn Rand den Namen Objektivismus gegeben hat. Grundlage des Objektivismus ist das Prinzip des Gewaltverzichts: die Friedenspflicht. Niemand hat das Recht, friedliche Mitmenschen zu Leistungen, gleich welcher Art, zu zwingen. Auch nicht durch Mehrheitsbeschlüsse. Wer nicht selbst den Frieden stört, hat immer und überall Anspruch darauf, in Ruhe gelassen zu werden.
Tschüss also, Lohn- und Einkommensteuer? Tschüss, Sozialabgaben? Ayn Rand sagt: Ja!
Persönliches Pech begründet nicht das Privileg, andere auszubeuten.
»Atlas« Shrugged erzählt vom Ringen der Leistungsträger um den Erhalt ihrer Freiheit. Die Fleißigen, die Ehrlichen, die Kreativen finden sich umringt von Schmarotzern und mit Vitamin B aufgepumpten Frühstücksdirektoren, von zynischen Abzockern, von machtbesessenen Politikern, von korrumpierten Wissenschaftlern, von Subventionsjägern. Dieser Klüngel benutzt den Staat, um sich unter dem Deckmantel einer als sozial etikettierten Ausplünderungsstrategie den Ertrag der harten Arbeit seiner Opfer anzueignen. Es kommt zu einem sich beschleunigenden wirtschaftlichen Niedergang, dem der Klüngel mit immer räuberischeren Methoden zu begegnen sucht. Verstört muss er jedoch feststellen, dass seine Möglichkeiten ausgereizt sind. Die, die er schröpfen will, tauchen ab. Sie gehen in Pension, schließen ihre Fabriken, geben ihre Labors auf, machen ihre Geschäfte zu - und sind weg. Unauffindbar. Einer nach dem anderen. Die Menschen auf der Straße kommentieren den geheimnisvollen Exodus mit der rhetorischen Frage: »Wer ist John Galt?« Eine von der dumpfen Wiederholung dieser Frage genervte junge Unternehmerin geht ihr schließlich nach. Sie sucht John Galt. Ihre Nachforschungen bleiben lange ohne Erfolg. Doch dann macht sie unter lebensgefährlichen Umständen eine Entdeckung, die sie nie für möglich gehalten hätte...
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