vor die philosophische Vertiefung beginnt. Nach der Überzeugung des Autols ist eine 'Philosopwle und jede andere geistige Beschäftigung nichts wert, die ohne empirische Grundlage arbeitet und allzu schnell sich in >hehren( Grundsätzen verliert, die im Nebulösen gründen. Zugleich ist der Autor überzeugt, dass es keine Aufeinanderfolge von Empirie und philosophischer Vertiefung gibt, sondern dass sich die philosophische Klarheit und Wahrheit bereits in der Empirie beweist.
m und reich als Wer die Frage nach arm und reich empirisch wie theoretisch
Grundbegriffe nicht stellt und nicht beantworten will, kann auch nichts We-
sentliches zu Zeit und Ewigkeit, zu Individuum und Gemeinschaft, zu Erkenntnis und Wahrheit, zu Krieg und Frieden, zu Kunst und Kultur sagen. Seit dem Entstehen von Armut und Reichtum als Dauerproblem menschlichen Zusammenlebens vor einigen tausend Jahren ist die Frage nach arm und reich zur Menschheitsfrage geworden, zur Frage an jedes Individuum, an jede geistige Erkenntnis- und soziale Gemeinschaftsform wie an die Menschheit selbst. Dies ist heute umso mehr der Fall, als Armut und Reichtum aus Erscheinungen in einzelnen Staaten, Regionen und Epochen zu einem globalen Zusammenhang geworden sind, der menschliche Enthemmung fördert und Vernichtungen gebiert.
ArmutatsöffentticheErscheinung 1 DieArmutunddieArmen sind sehr viel mehr als der Reichtum und die Reichen eine öffentlich wahrgenommene und erörterte Erscheinung. Das ist in einem reichen Industrieland wie Deutschland so, und das ist weltweit so.
Seit der >neuen sozialen Frage<, die im Gefolge der dauerhaft gewordenen Massenarbeitstosigkeit Ende der 1970er Jahre von der CDU ausgerufen wurde, wird in Deutschland die Armut intensiv erörtert. Von Gewerkschaften, Soziatorganisationen und einer »Nationalen Armutskonferenz« wurden Armutsberichte veröffentlicht. Dies geschieht zunehmend auch im regionalen Bezug, etwa für einzelne Städte wie Köln und Düsseldorf. Ebenso hat sich die wissenschaftliche Forschung mit dem Problem seitdem immer wieder befasst: etwa mit der Armut von Kindern im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit der Eltern, mit der besonderen Armut von Frauen sowie mit dem Ausmaß und der Struktur der Armut allgemein.
Die öffentliche Wahrnehmung und Erörterung allerdings be8
deutet nicht, dass die Armut 'vollständig und, wahiheitsgedä@ 5eT KT
erfasst wird. Selbst ausführliche Empirie und sozialwissenschaft- Reich
lich geschärfte Methodik können den Blick für die tatsächlichen der B
Erscheinungsfonnen, Ursachen der Armut und den Zusammen- rung
hang mit dem Reichtum verstellen. Dies gilt auch für die im Jah-
re 2001 erstmalig von einer deutschen Regierung erarbeitete
Darstellung.' Der Bericht behandelt den Zeitraum vom Beginn
der Massenarbeitslosigkeit 1973 bis ein Jahr nach dem Regie-
rungsantritt der Koalition von sozialdemokratischer und grüner
Partei, also bis 1999. Die zentrale Feststellung lautet, »dass so-
ziale Ausgrenzung zugenommen und Verteitungsgerechtigkeit
abgenommen hat«. Armut wird nach sozialwissenschaftlicher
Übereinkunft dann angenommen, wenn einem privaten Haushalt
weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Arbeitnehmerein-
kommens zur Verftigung steht.
Als wichtigstes Erkennungsmerkmal für Armut wird die 7ah-
tung staatlicher Sozialhilfe angesehen. Ihr Umfang ist daher we-
sentlich mit dem Umfang der Armut und der von ihr betroffenen
Personen identisch. »Ende 1998 erhielten 2,88 Millionen Perso-
nen in 1,5 Millionen Haushalten Hilfe zum Lebensunterhalt (So-
zialhilfe). Dies entsprach einem Anteil von 3,5 Prozent der Be-
völkerung; in den alten Bundesländern betrug der Anteil 3,7
Prozent, in den neuen Bundesländern 2,7 Prozent. Unter den
Empfängern von Sozialhilfe waren Kinder unter 18 Jahren mit
rund 1,1 Millionen die größte Gruppe. Das mit Abstand höchste
Sozialhilferisiko hatten mit 28 Prozent Haushalte allein erzie-
hender Frauen.«
Als weiteres Armutsmerkmal gilt die Ver- und Überschuldung
privater Haushalte: Ȇberschuldung ist ein Ausdruck von Ar-
mut.« Dabei hat die Überschuldung im letzten Jahrzehnt stark
zugenommen. »Die Anzahl der Überschuldungsfälte 1999 wurde
auf rund 2,8 Millionen geschätzt, das waren 7 Prozent der bun-
desdeutschen Haushalte. Die starke Zunahme - seit 1994 um
rund 30 Prozent - war vor allem auf die Entwicklung in den neu-
en Bundesländern zurückzuführen.« Der Einstieg in die Über-
2 1 Bundesministehum für Arbeit und Soziatordnung (Hg.): Lebenstagen in Deutschland. Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Berlin 2001; vgl. dazu Werner Rügemer: Heile Wetten. Der Armutsund Reichtumsbehcht der Bundesregierung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 7(2001), S. 863 ff.
9
|