gegenwärtig vorherrschende Form hat, wie andere, historisch noch weiter überhotte Formen, längst keine Legitimation mehr, sie ist abzuschaffen - mit Hilfe der dafür notwendigen Gewalt.
Dies erfordert viele Vorbereitungen. Zwei seien beispielhaft genannt. Es ist zu erforschen, wie der Reichtum sich auf dem Territorium der gegenwärtigen reichen Staaten herausgebildet hat; dabei wäre nicht von der unprüfbaren Voraussetzung auszugehen, dass der )weiße, männliche Mitteleuropäer( intelligenter sei als andere Erdbewohner; vielmehr wäre zu fragen, wie die Kombination der Naturvoraussetzungen - Verteilung des Wassers in einem regelmäßigen, verzweigten Flusssystem, gemäßigtes Klima, vielfältige Bodenschätze und ähnliches - in einer bestimmten Periode des Planeten und der Menschheit günstiger waren als anderswo.
Die zweite von vielen Vorbereitungen, die weltweit im Gange sind, ist folgende. Das Fordern von Seiten der Residualbestände der Arbeiterbewegung an die Adresse der Gegenseite nach Arbeitsplätzen ist ein paradoxes, erstarrtes Rituat. »Wer beschafft jetzt Arbeitsplätze? Der Gegner, der Kapitalist?«, konstatiert Luhmann spitz."9 Das endgültig erschöpfte Paradox ist durch den Aufbau eigener Arbeitsformen aufzulösen. Verhandlungen über Löhne und Gehälter sind nur noch zusammen mit Gewinnennittlungen zu fuhren. Aber die >Arbeitgeber( geben keine Sicherheit und sie zahlen an die Arbeitenden keinen Gewinn. Lohn und Gehalt sind mehr denn je im Wesen nur Fürsorge, sie sind unsichere und jederzeit widerrufbare Zugeständnisse, genauso wie die durch politischen Druck bewirkte Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Staat nur eine verkappte Form der vor- bzw. nachläufigen Fürsorge sind.
Es ist unter der menschlichen Würde, Freiheit und Möglichkeit, dass die Mehrheit der Lebendigen, gefangen in der Herrschaft des Reichtums, für ewig auf Fürsorge angewiesen sei.
69 Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesebchaft, a.a.O., S. 157
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