Lukas 17,5-6
Die Apostel baten den Herrn: Stärke unseren Glauben!
Der Herr erwiderte: Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen:
Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden, und verpflanz dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.
Liebe Gemeinde,
der erste große Krieg im 21. Jahrhundert ist ein Glaubenskrieg. Die unbekannten Terroristen haben ganz gezielt das angegriffen,
woran die Amerikaner glauben: Ihre wirtschaftliche Macht und ihre militärische Stärke. Amerika ist schon lange kein christliches
Land mehr, auch wenn die Menschen dort viel öfter als wir von Gott reden und vom Beten. Aber von was für einem Gott reden
sie, zu wem beten sie?
Die Fernsehevangelisten, die dort die Programme beherrschen, predigen in aller Regel nicht die befreiende Botschaft des Alten
und Neuen Testaments, sondern nichts anderes als eben das, worum sich in der so genannten zivilisierten Welt alles dreht:
Macht und Geld. Das World Trade Center war der zentrale Tempel des Merkur, des Gottes der Diebe und Kaufleute; und das
Pentagon der Tempel des Gottes Mars. Er war der römische Kriegsgott.
Nun sind sie zerstört wie der große Tempel in Jerusalem, der den Menschen die Macht des lebendigen Gottes vor Augen
führen sollte. Präsident Bush tut das, was in früheren Zeiten die Päpste getan haben: Er ruft zu einem Kreuzzug auf. Aber gegen
wen?
Bei einem militärischen Schlag gegen Afghanistan würde ganz sicher kein Terrorist zu Schaden kommen. Die haben sich schon
längst irgendwo in Sicherheit gebracht und kaufen Aktien auf, deren Kurse in den Keller gerutscht sind. Wer jetzt noch in
diesem Land bleiben muss, das sind bitterarme Menschen, die in einem Land leben, das vom Krieg gegen die unter gegangene
Sowjetunion noch immer zerstört ist. Sie leben wie im Mittelalter und haben dem entsprechend einen Glauben, wie wir Christen
ihn in dieser finsteren Zeit auch hatten. Wer diesen Menschen Gewalt antut riskiert, dass die gesamte islamische Welt in Aufruhr
gerät. Im Internet werden schon heute Krieger für den Djihad angeworben, den Heiligen Krieg gegen alle Ungläubigen.
Djihad und Kreuzzug – ja, sagen Sie mal: In was für einer Welt leben wir eigentlich? Können wir das wirklich ernsthaft wollen,
dass dieser Glaubenskrieg uns Menschen in den Abgrund reißt? Wäre es da nicht besser, wir würden Religion und Glauben
ganz abschaffen – weil wir uns doch nicht einigen können, welches denn nun der richtige Glaube sei?
Nein! Ich denke: Besser ist das, was die Jünger tun. „Stärke unseren Glauben“, sagen sie zu Jesus. Das ist einiger Maßen
ungewöhnlich. Schließlich hat Jesus sie schon zu seinen Lebzeiten ausgesandt, damit sie den Menschen vom Glauben erzählen
sollen. Nach seinem Tod sollten die Apostel dann sein Werk fort führen. Da sollte man doch eigentlich davon ausgehen können,
dass die wissen, wovon sie reden, oder?
Na klar: Jesus hatte ihnen auf den Reisen zu seinen öffentlichen Auftritten und in vielen, langen Nächten von dem Gott erzählt,
der die Liebe ist. Er hat sie geschult im Umgang mit der Heiligen Schrift, die damals nur das so genannte Alte Testament
umfasste – die Bibel der Juden. Er hat ihnen Regeln gegeben, wie sie miteinander und mit ihren Mitmenschen umgehen sollten.
Aber eines hatten sie zu diesem Zeitpunkt anscheinend noch nicht: Das Vertrauen zu Gott, wie Jesus es in unvergleichlicher
Weise hatte. Wenn er von „Glauben“ redet, dann redet er nicht von dem, was uns bis heute trennt. Es geht ihm nicht um
unumstößliche Wahrheiten, auch nicht um moralische Verhaltensvorschriften, sondern einzig um die Frage: „Wem vertraust
du?“.
Ø Traust du nur dir selber? – Dann bist du bald recht einsam.
Ø Setzt du auf die Stärke deines Körpers? – Dann wirst du bald jemanden finden, der stärker ist als du.
Ø Denkst du, dass du abgesichert bist, wenn du genügend Reichtümer angesammelt hast? Dann kann es sein, dass du bald
ziemlich arm dran bist.
Dem Herren musst du trauen, wenn dir’s soll wohl ergehn. Dem Herrn? Wer ist Gott? Von wem soll ich mich beherrschen
lassen? Wer ist es, dem ich trauen kann?
Jesus antwortet mit dem Bild von Senfkorn. Das ist nur ein winzig kleines Korn; nicht mehr als ein Pünktchen. Aber wenn es
wächst, dann wird ein beachtlicher Baum daraus mit großen Blättern, unter denen die Vögel Schatten finden.
„Und dieses Senfkorn habt ihr schon lange“, sagt Jesus seinen Jüngern, die an sich selber zweifeln. Es ist in euch. Gott ist Geist;
und von diesem Geist hat Er uns allen einen Anteil gegeben. Durch die Kraft des Heiligen Geistes sind wir alle miteinander
verbunden – und mit Gott, der in Seiner Ewigkeit lebt und regiert.
Diesen Anteil an Gottes Geist, den wir bei unserer Geburt bekommen haben, können wir vermehren. Der Apostel Paulus hat
z.B. einmal geschrieben, dass wir bei der Taufe ein „Angeld“ bekommen – so zu sagen einen Vorschuss auf das, was einmal
sein wird.
Wenn wir die Kraft sich entfalten lassen, die in uns ist, dann haben wir nichts mehr zu befürchten. Krieg und teure Zeit können
uns nicht wirklich schaden. Sie nehmen uns nur etwas, das wir ohnehin nicht mitnehmen können in die Ewigkeit. Was wir allein
nicht schaffen, das kriegen wir mit vereinten Kräften hin – sogar, dass ein fest verwurzelter Maulbeerbaum sich bewegt und in
Salzwasser gedeiht?
Nun, das ist vielleicht etwas viel verlangt. Das wäre schon ein echtes Wunder. Und es wird nie eintreten, wenn wir uns allein auf
uns und unsere eigene Kraft und Stärke verlassen.
Aber von Gott dürfen wir getrost Wunder erwarten. Die Macht der Liebe ist stärker als Terror und die Gewalt der Waffen. Sie
kann uns aus alt vertrauten Denkmustern heraus reißen und uns Mut geben, neue Wege zu gehen.
Wer einen Kreuzzug gegen den Terror führen will, der oder die sollte zuerst die Ursachen für die sinnlose Gewalt beseitigen, die
so viele Menschen in den Tod gerissen hat. Niemand wird sein Leben einfach weg werfen, um so einen Anschlag zu verüben,
wenn er nicht das Gefühl hat, immer schon zu kurz gekommen zu sein.
Wer grenzenlose Gerechtigkeit will, sollte also zuerst dafür sorgen,
- dass niemand mehr in einem Lager leben muss, weil er in seiner Heimat nicht wohnen darf;
- dass keine Mutter mehr um seine Kinder weinen muss, weil sie nicht weiß, wie sie sie ernähren soll;
- dass kein Mensch verteufelt oder verketzert wird, weil er etwas anderes glaubt, als die Mehrheit um ihn herum.
Wer in einen heiligen Krieg ziehen will gegen die Götzen und falschen Götter unserer Zeit, kann nur dann gewinnen, wenn er
oder sie sich der Waffen des Geistes bedient, der in allen Menschen ist: Glaube, Hoffnung und Liebe. Nur so kann die Saat
aufgehen, die Gott in uns gepflanzt hat – unter all dem Unkraut, das der Teufel dazwischen gesät hat: „Herr, stärke unseren
Glauben“!
A m e n .
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