Ein unschönes Erlebnis überschattet meine Trauerzeit, die ohnehin in den letzten Tagen von schneidendem Schmerz zu bedrückter Schwärze gewandelt ist. Die Vorgeschichte: Ich hatte der erst kürzlich gewissermaßen zur Haushälterin beförderten Putzfrau, als sie zwei Tage nach Konrads Tod das erste mal zu mir kam und natürlich entsprechend bestürzt, ja, fast unangenehm hysterisch auf die Nachricht reagiert hatte, ihren am diesem Tage fälligen Teilsalär von etwa 250 Euro mit einem von Konrads Luxemburger 500ern bezahlt, die mich theoretisch noch einige Zeit vor einem Betreten der verhassten Bank bewahren werden. Und weil sie ohnehin kurz zuvor ihren Sechzigsten gefeiert hatte, gab ich ihr einen dieser großen Scheine in Eichelviolett mit den Worten, der Rest sei - auch von Konrad - zum Geburtstag, und sie solle sich was schönes dafür kaufen, das sie an Konrad im Guten erinnert. Damals fiel ihr Dank ein wenig knapp aus, wie ich fand, als sie den Schein, natürlich dennoch hocherfreut, in ihrer Börse verschwinden ließ, am Telefon sprach ich zu einer Verwandten von einer 'etwas kleinen Mischung aus Trauer, Dankbarkeit und Gier'. Aber ich hatte den Vorfall zur Gänze vergessen, als sie mir gestern in ihrer Kinderschrift eine weitere, verlängerte Zwischenrechnung über 320 Euro präsentierte. Spontan und überrumpelt entgegnete ich: »Wieso denn schon wieder? Hab ich Dir doch letzte Woche gegeben...« Was folgte, war eine an Niedrigkeit kaum zu überbietende Szene, deren Verständnis mir zunächst dadurch erschwert wurde, daß Heidi ohnehin zu einer ausgesprochen verwaschenen und nachlässigen Aussprache neigt, wozu in Momenten der Erregung oder Heiterkeit noch ein dermaßen konfuser Umgang mit Syntax und Grammatik tritt, daß Konrad in solchen Fällen manches Mal zu sagen pflegte: »Jetzt atme mal durch, mach Dir ein Zigarettchen an und dann nochmal in aller Ruhe...« Worum ging es ihr also? Sie hatte mich mißverstanden, und den ganzen 500er als Geburtstagsgeschenk betrachtet, vermutlich war sie an dem Tag auch tatsächlich so überwältigt gewesen, daß sie nicht die passenden Worte des Dankes, den ich ja auch gar nicht mit dreifachem Kotau erwartet habe, gefunden hatte. Dies hätte in einer halben Minute geklärt sein können, und da ich merkte, wie sie den sicher sehr willkommenen Schein gleichsam verteidigte wie Gollum seinen Smeagol, hätte ich ihr ihn auch leichten Herzen gelassen, aber dieser Westerwälder Bauerntrampel heulte fast, die Fäuste geballt wie ein Kind dem man die Puppe zu entreißen droht, ließ mich gar nicht meine völlig ruhig vorgebrachten Beschwichtigungen vortragen, sondern stammelte, erschöpft vor Krampfigkeit auf den Badewannenrand gekauert immer nur Sachen wie: »Ne! Ne! Das hast Du anders gesagt! Von Konrad, daß der von Konrad sei, ne!«, bis ich mich angewidert abwandte und mein Portemonnaie holte. Noch zu diesem Zeitpunkt hoffte ich, durch dieses Schauspiel mehr als runtergezogen, sie möge es nach erfolgter Bezahlung dabei bewenden lassen, doch wieder fing sie an, mir ihre banalen kleinen Kreise vorzutschilpen, doch ich gebot ihr Einhalt, wandte mich zu ihr und sprach sinngemäß folgendes: »Heidi, für mich ist die Sache mit dem Schein ausgestanden. Aber dein ganzes Verhalten in den letzten Minuten hat mich sehr geschmerzt [ich hätte besser 'unangenehm berührt' sagen sollen] und da komme ich auch nicht so mir nichts, dir nichts drüber weg. Du hättest von mir aus noch Jahre lang ungefragt die Hälfte unserer Waschtabs mit nach Hause nehmen können, beziehungsweise das war der Grund, daß ich zuletzt wieder Pulver gekauft habe, ich dachte, so dreist, daß sie sich was in Beutel abfüllt, wird sie schon nicht sein. Da hätte ich mit leben können, aber dein Gekeife eben wird mir immer im Ohr klingen und das kann ich in dieser schweren Zeit nicht brauchen. Ich würde Dich daher bitten, besser gesagt auffordern, in den nächsten Minuten Deine Sachen zusammenzutragen, mein Haus zu verlassen und nie wieder einen Fuß über seine Schwelle zu setzen. Gleiches gilt natürlich auch für Sonja [Tochter, 1x wöchentlich], Günter [Hausmeisterarbeiten, Straßen– und Treppenhausreinigung] und Kai [dötscher Sohn, assistiert Vatern]. Günter kann sich natürlich seine Werkzeuge bei Gelegenheit aus dem Verschlag holen, den Schlüssel bitte in den Innenbriefkasten. Ich werde mich jetzt hinlegen, denn Du hast mir Kopfschmerzen gemacht. Rede nicht mehr zuviel, meine Anschrift hast Du.« Sprach es und ging, tatsächlich unendlich zerschlagen, müde und traurig ins Schlafzimmer, wo ich nach kurzer Zeit einschlief. Sie hatte noch ein wenig vor der geschlossenen Tür gezetert, geheult, gestottert, ich hatte den Kopf jedoch in das schwedische Nackenkissen aus Latex gedrückt, dessen ergonomisch geformte Mulden meine Ohren vor näheren Details verschlossen. Ärgerlich, jetzt, wo die ganzen Umbauarbeiten anstehen, hätte ich eine gebrauchen können, die mit dem Haushalt vertraut ist. Und die Treppenreinigung muß schleunigst neu vergeben werden. Aber meine Nervenruhe und meine ArielSproodles sind mir wichtiger.
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