Die bizarre Welle von Mangas und Animes kann in Japan auf eine lange Tradition volkstümlicher Graphiken oftmals skurrilen und pornographischen Charakters zurückblicken - die größten Holzschneider Japans haben zum Teil haarsträubenden Schweinkram gezeichnet, man denke an Hokusais Holzschnitt, der die Vergewaltigung einer Frau durch einen Riesenkraken darstellt, es dürfte schwer sein, in der europäischen Kunst vor Anbruch der Moderne ein Gegenstück zu finden, bei dem sich fremdartigste Erotik und archaischer Schrecken zu einem ähnlichen Meisterwerk verdichten.
Dieser ausgesprochen eigene Weg, den Japan in seiner kulturellen Entwicklung eingeschlagen hat, rief seit den ersten Missionaren die Vertreter einer weltgültigen Moralvorstellung auf den Plan, und 1999 erfolgte ein massiver Eingriff in das japanische Recht: Auf Druck der internationalen Staatengemeinschaft wurde das Schutzalter für sexuelle Handlungen jeglicher Art (eine gesonderte Strafwürdigkeit der Homosexualität hat es in Japan nahezu in seiner gesamten Geschichte nicht gegeben) auf 18 Jahre heraufgesetzt. Bis dahin lag es bei 13 Jahren.
Dass das Gesetz zu einem Zeitpunkt kam, an dem sich abzeichnete, dass die Verteilerwege der Pornographie über das Internet revolutioniert werden würden, wird kein Zufall gewesen sein. Offenbar wollte das christlich-muslimische Abendland 'uns, die User' vor den schlimmsten Auswüchsen der zum Teil wirklich befremdlichen Schulmädchenerotik bewahren. Für Liebhaber sehr junger Menschen war die Welt in Japan von diesem Tage an nicht mehr in Ordnung, foto- und comicromanlesende U-Bahnreisende, die bis dahin an ihren Morgenflash gebondagter Lolitas gewohnt waren, sahen sich plötzlich ihrer Medien beraubt, man könnte die Folgen fast ein wenig mit denen der Prohibition im Amerika der 20er Jahre vergleichen.
Aber nun wissen wir ja seit Freud, dass Kompensierung und Übertragung wie Licht und Wasser sind und sich immer ihren Weg bahnen. Was macht also der Konsument, der auf die morgendlichen Fotos getapter Sumokinder verzichten muss: Er setzt fürderhin eine Heerschar Zeichner in Lohn und Brot, die nichts anderes machen, als die herbeigesehnte Kinderwelt mit all ihren glotzäugigen Rundköpfchen aufs neu erstehen zu lassen, in Bild, Wort und geistigem Gehalt, where boys will be boys und alterlose Prinzessinen Einhörner melken. Und wenn es hart auf hart kommt, greift da immer noch oft genug ein japanisches Gesetz, dass älter als die UNO-Charta von 1999 ist und das aus der alten zeichnerischen Tradition Japans heraus grafische Kunst unter Straffreiheit stellt (das gleichfalls alte Tabu, die eigentlichen Geschlechtsteile darzustellen, gilt natürlich häufig weiterhin), da kann dann eben auch schon mal ein Riesenkrake eine junge Frau vernaschen, die ziemlich eindeutig noch keine 18 ist.
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