Abwertungsschock
Möglicher Währungskrieg gefährdet Weltwirtschaft
DPA
Börse in New York: Abwertungswettlauf an den internationalen Devisenmärkten
Der Finanzkrise folgt ein womöglich fataler Abwertungswettlauf der Währungen. Denn den Regierungen scheint inzwischen jedes Mittel recht, um die heimische Industrie zu stützen - auch die Schwächung der eigenen Währung. Experten warnen vor einer Kettenreaktion.
Frankfurt am Main - Die japanischen Währungshüter haben es getan, ihre US-Kollegen werden ihnen wahrscheinlich folgen: Die großen Notenbanken der Welt lockern ihre ohnehin beispiellos expansive Geldpolitik - wenn auch aus ganz unterschiedlichen eigennützigen Motiven.
ANZEIGEDamit droht ein Abwertungswettlauf an den Devisenmärkten, wie ihn die Welt seit Jahrzehnten nicht gekannt hat. Die Folgen eines solchen »Währungskriegs« können verheerend sein, wie Erfahrungen aus der Großen Depression in den dreißiger Jahren zeigen. Denn ein Abwertungswettlauf geht zumeist mit Schutzzöllen und Beschränkungen des Kapitalverkehrs einher, aus dem letztlich alle Beteiligten als Verlierer hervorgehen.
Hauptschuldige an dem weltweiten Währungschaos sind nach Ansicht des US-Starökonomen und Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz Fed und Europäische Zentralbank (EZB). Die von ihnen mit ihren Anti-Krisenmaßnahmen ausgelöste »Liquiditätsflut« destabilisiere die globalen Devisenmärkte, sagte Stiglitz in New York. »Die Ironie ist, dass die Fed für all diese Liquidität in der Hoffnung sorgt, dass sie die US-Wirtschaft beleben wird.« Doch sie tue nichts dergleichen, sondern sorge für Chaos im Rest der Welt.
Japan bremst Yen-Höhenflug
Der sich abzeichnende Abwertungswettlauf verschärft in dieser Situation die Gefahr für die Weltwirtschaft. Denn sie könnte die Erholung von der schwersten Krise seit Generationen abwürgen und enormen Schaden anrichten, sagte der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, der »Financial Times« vom Mittwoch. »Es breitet sich ganz deutlich die Idee aus, dass Währungen als politisches Druckmittel genutzt werden können.« Wenn Staaten versuchten, mit Hilfe der Währung den heimischen Aufschwung anzukurbeln, sei die Stabilität der Weltwirtschaft in ernster Gefahr. Vor einem Währungskrieg hatte unlängst der brasilianische Finanzminister Guido Mantega gewarnt.
Jüngster Höhepunkt sind starke Interventionen Japans am Devisenmarkt, um dem Höhenflug des Yen Einhalt zu gebieten. Jetzt setzt die japanische Notenbank noch eins drauf, indem sie zu ihrer Nullzinspolitik von Anfang des vergangenen Jahrzehnts zurückkehrt. Die anhaltende Deflation - ein gefährlicher Preisverfall auf breiter Front - und die schwache heimische Wirtschaft gelten als Gründe für die zusätzliche Lockerung der Geldpolitik. Der starke Yen, der zum Dollar seit Mitte des Jahres um rund 13 Prozent aufgewertet hat, bereitet der exportorientierten Wirtschaft Japans zunehmend Kopfzerbrechen.
Dollar-Abwertung programmiert
Verschärft wird die Lage dadurch, dass die amerikanische Notenbank ebenfalls eine weitere Lockerung ihrer bereits hochexpansiven Geldpolitik vorbereitet - während in Europa längst über den Ausstieg aus milliardenschweren Konjunkturprogrammen nachgedacht wird. Die Fed will die brüchige Konjunktur der weltweit größten Volkswirtschaft anschieben. Erwartet wird, dass sie Ankäufe von festverzinslichen Wertpapieren nochmals ausweiten wird. Und das, obwohl das Ankaufvolumen bereits sagenhafte 1,7 Billionen Dollar beträgt und die Zinsen in den USA ebenfalls bei null Prozent liegen. Niedrige Zinsen und ein schwacher Dollar können helfen, die Last der hohen Staatsschulden zu lindern und das gigantische Leistungsbilanzdefizit der USA zu reduzieren.
Konsequenz dieser Politik: Der ohnehin abwertende Dollar dürfte zu vielen Währungen weiter nachgeben, was wiederum anderen Exportnationen wie Japan übel aufstoßen dürfte.
Die Devisenexperten der Commerzbank sehen in dieser Gemengelage »denkbar schlechte« Chancen für eine Koordinierung der internationalen Wechselkurspolitik. Auch von anstehenden Gipfeln auf internationaler Ebene sei nicht sehr viel zu erwarten - im Gegenteil: Auf der IWF-Jahrestagung am kommenden Wochenende und dem G20-Gipfel im November dürften die Konflikte nur noch deutlicher zutage treten.
China verschärft Wechselkurskampf
ANZEIGEVerschärft wird die explosive Lage durch die Wechselkurspolitik Chinas. Das »Reich der Mitte« hat seine heimische Währung Yuan faktisch an den Dollar gebunden, um seinen wichtigen Export zu stützen. Die USA drängen China seit Jahren zu einer Aufwertung des Yuan und haben mittlerweile Strafzölle für chinesische Güter auf den Weg gebracht. Auch die Europäische Union - größter Exportmarkt Chinas - hat den Druck auf China verstärkt. Europa und die USA werfen unter anderem China vor, seine Währung bewusst niedrig zu halten und damit die heimische Wirtschaft zu subventionieren. Treffen von Chinas Regierungschef Wen mit europäischen Spitzenpolitikern in den vergangenen Tagen hatten in der Frage zu keinem Ergebnis geführt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hält sich aus dem Geschachere der Notenbanken bislang heraus. Im Gegensatz zu den Zentralbanken Japans und den USA bereiten die europäischen Währungshüter den Ausstieg aus ihrer expansiven Geldpolitik vor. Zinserhöhungen werden jedoch erst - wenn überhaupt - im späten Verlauf des kommenden Jahres erwartet.
Abzuwarten bleibt, wie die europäische Politik und die EZB mit dem anhaltend festen Euro umgehen wird, der allerdings nicht nur Nachteile bringt: Importe aus dem Dollar-Raum werden günstiger, weil wichtige Rohstoffe wie Öl international mit dem Greenback bezahlt werden. Sollten die Europäer indes ebenfalls reagieren, droht die jüngste Warnung von Stiglitz wahr zu werden.
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