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Goodluck schrieb am 25.9. 2014 um 14:33:08 Uhr über

Ameisen

Die Filme, in denen, oft radioaktive, Umweltverschmutzung zu Mutationen von Tieren führt, die dann entweder als großes Einzelwesen (vgl. die bisher 28 japanische Filme umfassende Godzilla-Reihe ab 1954) oder in veränderter Form und großer Menge Menschen angreifen, ist Legion. Beispiel GORDONs 1977 gedrehter Film EMPIRE OF THE ANTS (dt. IN DER GEWALT DER RIESENAMEISEN) Das oft verwendete Muster ist durchschaubar: Eine korrupte, mit der Politik verbundene Firma lagert giftigen Müll in einem Sumpf. Eine ebenso korrupte Immobilienfirma möchte an einem angrenzenden, natürlich unbewohnten Strand kleine Luxushäuschen bauen und holt dafür eine mittelgroße Gruppe von Interessenten zusammen, die im Laufe des Films von einer Unzahl zu riesenhafter Größe herangewachsener Ameisen verfolgt und getötet werden. Klassische psychologische Schockeffekte werden hier miteinander verknüpft: Ameisen als Insekten sind für Menschen schon aufgrund ihrer Anatomie erschreckend. Sie können, für uns unvorstellbar, sechs Beine gezielt koordinieren. Ihre Fähigkeit, auch vertikal zu gehen, ihr hoher Organisationsgrad und ihr zumeist massenhaftes Auftreten stärkt das Schreckenspotential. Die Verbindung dieser im Kleinen schon bedrohlichen Lebewesen mit übermenschlicher Größe und entsprechender Anzahl sorgt selbst bei durchsichtigster Handlung für ein gerütteltes Maß an Unwohlsein. Ein wichtiges Motiv dieser Art von Film ist die Ermahnung zu ethischem Verhalten (z.B.: keinen Giftmüll in den Sumpf oder Solidarität in der Gruppe der Flüchtenden, weil Einzelgängerinnen immer zuerst gefressen werden). Damit entspricht er der Auffassung des russischen Regisseurs und Filmtheoretikers der Sowjetunion Sergej EISENSTEIN : ”Wenn im üblichen Film der Film die Gefühle lenkt und fördert, so ist hier eine Möglichkeit angedeutet, ebenso [auch] den ganzen Denkprozeß zu fördern und zu leiten." Die moralisierende oder pädagogische Komponente dieser Filme ist dabei um ein wichtiges, noch grundlegenderes Motiv zu ergänzen: die grundsätzliche Unbeherrschbarkeit der Fülle der Natur, die vom Menschen zumeist verdrängt wird. Damit spielt auch der genannte Ameisenfilm: Die Wohnungssuchenden wollen gerade ein möglichst
naturbelassenes Stück Land und damit die klassische Paradiesesvorstellung des friedlichen Beisammenseins aller Lebensformen. Dafür aber müssen Straßen und Häuser mit allen erdenklichen technischen Raffinessen, mitten in das Ameisensiedlungsgebiet hinein, gebaut werden. Die Tragik dieser Sehnsucht nach Natur und Unerreichbarkeit aufgrund des Festhaltens am Wunsch nach bequemer Häuslichkeit entspricht dem europäischen Mittelstandsbürger seit dem 19. Jahrhundert, wie etwa der französische Autor FLAUBERT in MADAME BOVARY (1857) aufzeigt. Die Neuerung Flauberts, mit der er sich von der zeitgenössischen Schule des Realismus in Frankreich absetzt, besteht nicht in der Proklamation einer bestimmten, gesellschaftskritischen Überzeugung, sondern vielmehr in der ironischen Analyse der Unausweichlichkeit klischeehaften Verhaltens sowohl im kleinbürgerlichen Leben der Normandie als auch in Emmas Fluchtversuch, der von einer illusionären romantischen Sehnsucht getrieben wird. Dem unbeabsichtigten Tierhorror, der in der klassischen Kriegsführung höchstens durch das Bewerfen gegnerischer Städte mit Bienenkörben oder skorpiongefüllten Tonkrügen ausgewertet wurde, folgt die absichtliche (genetische) Manipulation von Tieren konsequent.


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