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jobber schrieb am 2.9. 2000 um 14:19:59 Uhr über

Aktien

Keine Geheimtipps beim Chat im Internet

JÖRG SCHÄFER, FRIEDERIKE STORZ

Im Internet gibt es keine Geheimnisse, schon gar keine
Geheimtipps. Das einzig Geheimnisvolle in den
Chaträumen von Banken oder Finanzdienstleistern sind
die echten Namen der Chatter, die vermeintlich gute Titel
anpreisen.

In den Chaträumen gelten eigene
Regeln. Man bleibt gern anonym, gibt
sich Phantasienamen: zum Beispiel
Zockermicha, Lupe, Stormi, TecTrader.
Diese vier waren am
Dienstagnachmittag mit dabei, als sich
Handelsblatt.com unter dem
PseudonymGeld herbei
Wallstreetonline.de einloggte und
fragte: „Wie kann ich hier Geld
verdienen?“ Die Antwort kam prompt
von Eddy16: „Indem du dir 595411
zulegst und wartest, bis VW auf 100
Euro steigen!“ „Wieso ausgerechnet
VW?“, will ,Geld herwissen. Da
schaltet sich Ilmenau ein: „Besser wäre
wohl DaimlerChr.“ ,Geld her’: „Und
woher weißt du das?“ Ilmenau:
Daimler wird strong empfohlen von UBS .“

Geschickt hat Ilmenau das Online- Gespräch von einer Aktie auf
die andere gelenkt – und 33 potenzielle Anleger lesen mit. Wer
Ilmenau ist, wissen die anderen Chatter nicht. „Das ist ein
Problem“, sagt Petra Krüll von der Deutschen Schutzvereinigung
für Wertpapierbesitz, „niemand gibt Kaufempfehlungen ab, um
anderen etwas Gutes zu tun.“ Immer stecke hinter einer
Empfehlung auch ein Motiv: Entweder hat der Chatter Aktien
gekauft und lobt nun das Papier über den Klee, damit der Kurs
steigt. Oder der Chatter redet eine Aktie schlecht, damit der
Kurs fällt und er einsteigen kann. Denn schon wenige Anleger
können den Aktienkurs kleiner Firmen beeinflussen.

Das Problem kennt Frank Kumpfmüller, Chat-Verantwortlicher
bei Wallstreetonline, natürlich auch. Er unterscheidet bei den
Unbekannten, die durch ihre Tipps Kurse in die Höhe treiben
wollen, zwischenDumm-PushernundSubtil-Pushern“. Der
erste lege im Chat sofort los mitunbedingt kaufen“, der andere
verschaffe sich über eine gewisse Zeit Vertrauen und preise
dann nach und nach Aktien an, die er selbst im Depot liegen
hat. In solchen Fällen reagiert Kumpfmüller nach einem
Stufenplan. Offensichtliche Manipulanten würden zuerst mundtot
gemacht, indem der Moderator die Beiträge für eine gewisse Zeit
sperre. Sollte derPushernach seinem Exil wieder versuchen,
Kurse einzelner Aktien zu beeinflussen, werde er ganz
rausgeschmissen.

Wenn der Analyst einer Bank eine Empfehlung gibt“, sagt Petra
Krüll, „dann weiß ich, was ich davon zu halten habe.“ So würden
möglicherweise Aktien gelobt, die in den Fonds der Banken
liegen. Schließlich steige mit dem Wert der Aktien auch der
Wert des Fonds. Oder eine Bank hat ein Unternehmen an die
Börse geführt und will bei einer Kapitalerhöhung wieder
verdienen. Auf jeden Fall sei die Empfehlung nachvollziehbar,
meint Krüll. Im Chatroom ist das aber anders.

Dienstagnachmittag sind auch je ein Mitarbeiter der Dresdner
Bank und einer von Infineon mit dabei. Beide legen sich ein
Pseudonym zu, aber durch die Internet-Adresse kann
Kumpfmüller nachvollziehen, aus welchem Firmennetz sich die
beiden zugeschaltet haben. Um welche Personen es sich
handelt, wäre im Zweifel auch herauszubekommen, betont
Kumpfmüller.

Das ist wichtig, denn schon mehrfach hat bei Wallstreetonline
der Staatsanwaltschaft angeklopft. Wer zum Beispiel an einem
Board, also einer Online-Pinnwand für Nachrichten,
Insiderwissen ausplaudert, macht sich strafbar. In den USA
hatte das FBI vor wenigen Wochen den größten organisierten
Betrug an Anlegern in der Geschichte des Landes auffliegen
lassen. 120 mutmaßliche Täterauch aus Mafia-Kreisen
sollen unter anderem in Chatrooms in betrügerischer Absicht
Aktien als wertvoll angepriesen und zum Kauf verlockt haben.
Jeder ist für seine Anlageentscheidung selbst verantwortlich“,
sagt Petra Krüll, „und niemals sollte der Einzeiler am
Brokerboard für eine Entscheidung ausreichen.“

Bei Expertenchats wird dagegen mit offenen Karten gespielt.
Täglich bietet Wallstreetonline einem Fondsmanager, Analysten,
Vermögensverwalter oder Firmenchef das Forum zum
Expertenchat. Die Firmenchefs bezahlen für den Chat, der in der
Regel eine Stunde dauert, 5 000 Mark. „Das sind keine
bezahlten Interviews“, sagt Kumpfmüller, „wir werden bezahlt,
weil wir die Plattform zur Verfügung stellen.“



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