Wenn dieser Traum noch die Wiederkehr der Macht des ÜberHelden beschwor, so
legen H/N zum Scliluss in der »radikalen Bestimmung der Postmoderiie« (36 1) das
offene Bekenntnis zum »Willen zur Macht« ab.
@@Heute ist Arbeit ganz unmittelbar eine gesellschaftliche Kraft, die von den Mächten
des Wissens, des Affekts, der Wissenschaft und der Sprache beseelt ist. Und in der Tat
ist Arbeit die Produktionstätigkeit des General intellect, und des allgemeinen Körpers
außerhalb d s Ma ßes. Arbeit erscheint schlicht und einfach als die Macht zu handeln, die
zugleich singulär und universell ist; singulär, insofern Arbeit zur ausschließlichen
Domäne von Körper und Geist der Menge geworden ist; universell, insofern das
Begehren, das die Menge in ihrer Bewegungvom 'Virtuellen zum Möglichen zum
Ausdruck bringt, beständig als gemeinsamesacheentsteht. Nur wenn das, was
gemeinsam ist, Gestalt gewinnt, kann Produktion stattfinden und die allgemeine
Produktivität steigen. Alles, Was diese Macht zu handeln blockiert, ist nichts als ein
Hindernis, das man zu überwinden hat - ein Hindernis, das durch die kritischen Kräfte
der Arbeit und die leidenschaftliche Alltagsweisheit der Affekte umgangen, geschwächt
und zerschmettert wird ( ). Wir können somit die virtuelle Arbeitskraft als eine Macht
der Selbstverwertung defi,iiereii, die über sich selbst hinausreicht, auf den anderen
überfließt und dadurch eine expansive Gemeinsamkeit ausbildet ( ). Dieser ontologische
Apparat jenseits des Maßes ist eine ex pansive Macht, eine Macht der Freiheit, der
ontologischen Konstruktion und der allseitigen Verbreitung ( ). Mit Bezug auf die
Philosophiegeschichte könnten wir, um den Sinn dieser expansiven Macht zu
bestimmen, hinzufügen: Während die Bestinimungen der Handlungsmacht hinsichtlich
des Singulären und Gemeinsamen spinozistisches Gedankengut sind, so geht diese
letzte DeCinition auf Nietzsche zurück. Die allseitige Ausweitung dieser Handlungsmacht
beweist die ontologische Grundlage der Umwertung, das heißt deren Fähigkeit, nicht
nur Werte zu zerstören, sondern auch iietiewerte
zu schaffen (vgl. vor allem Nietzsches Genealogied"Moral, 1887).,@ (365367)
UI'nwertung der Werte ist das Hauptmotto, mit dem Nietzsclie den »Willen zur Macht«
programmatisch verbindet. Und so stellt er die Geizealogie der Moral am Schluss als
weiteren Schritt in der Verwirklichung dieses umfassenden Projekts dar:
,@ - (;enug! Genug... (ich verweise dafür auf ein Werk, das ich vor
bereite: Der Wille zur Macht, Versuch einer Umwerthung aller
Werthe@,).mi
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ntgrenzte Handlungsmacht aus Wissen und Affekt, deren zu neuer Produktivkraft
verschmolzene Energien sich zu einem allgemeinen Körper vergemeinschaften und
expansiv auf den anderen überfließen und alles, was sich ihr als Hindernis
entgegenstellt, zersclimettert, verstanden als Prozess globaler Zerstörung und
Neuscliöpfung: dies ist die Definition ihres radikalen postmodernen Projekts, ihm
drucken H/N den Stempel des »Willen zu Macht« auf. Wir tun gut daran, uns bei
Nietzsche über den Charakter dieser Macht und der ihr innewolinenden expansiven
Aggressivität genauer zu erkundigen.
Feinderklärung, Vernichtung, Krieg im »Willen zur Macht«
Ich kann hier unmöglich Nietzsclies gewaltiges Arbeitsvorhaben umreißen, das
Gedanken und Projekt des »Willen zur Macht« in alle Bereiche des Lebens zu treiben
und verfolgen suclite: Logik und Technologie, Genderpolitik, Kulturpolitik, große Politik,
Erdherrschaft, Europapolitik sind einige ihrer Felder. Ich beschränke mich auf seinen
tragenden Grundzug: die Feinderklärung und die aus ihr fließende Gewalt aggressiver
Bemächtigung. Diese möclite ich aus einer »Vorrede« zum Projekt »Der Wille zur
Macht. Versuch einer Ui-nwertung aller Werte« plastisch werden lassen. Sie nimmt die
Gedanken aus »Zarathustras Rosenfest« wieder auf. @,Vorrede*** Was ist gut? -
Alles was das Gefühl der Macht, den Willen zur Macht, die Macht selbst im Menschen
steigert. Was ist schlecht? - Alles, was aus der Schwäche stammt. Was ist Glück? - Das
Gefühl davon, dass die Macht wächst, - dass ein Widerstand übcrwunden wird. Nicht
Zufriedenheit, sondern mehr Macht; nicht Frieden Oberhaupt, sondern Krieg; nicht
lligend, sondern'rüchtigkeit (Tugend im Reiiaissance-Stile virtü, moraliiifreie Tugend.)
Die Schwachen und Missrathenen sollen zugrunde gehen: erster Satz der Gesellschaft.
Und man soll ihnen noch dazu helfen@@."
Hier wird deutlich: die »Umwertung der Werte« und »der Wille zur Macht« ist ein
Manifest der Feinderklärung. Die Feinder
KI F. Nietzsche, Zur Genealogie, op. cit., S. 408.
F. Nietzsche, Nachlass 1887-1889 KSA 13. S. 192. Dieses Fragment war Nictzsche so
wichtig, dass er es später an den Anfang des »Antichrist« gestellt hat: F Nietzsclie, Der
Antichrist, KSA 6, S. 165, hier: S. 170
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