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Liquidationsdefensive schrieb am 14.12. 2002 um 13:47:47 Uhr über

Advent

Heute morgen widerfuhr mir das Wunder des Advent. Als ich nach dem Frühstück das Adventskalendertürchen des 14. Dezember öffnen wollte, um die Schokoladengabe dahinter mit dem letzten Schluck Kaffee mir auf der Zunge zergehen zu lassen, sah ich, dass neben dem Türchen für den 14. auch das Türchen des 13. Dezember noch verschlossen war. Mir wurde sofort klar, dass ich damit das Recht haben würde, heute auf einen Schlag zwei Türen zu öffnen und sich der feine Geschmack der Schokolade heute mit besonderer, ja verdoppelter Intensität und Dauer würde entfalten können. Meine Freude war von einer tiefen inneren und kindlichen Hemmungslosigkeit. Als ich jedoch weiter über diese außerordentliche Begebenheit nachdachte, wurde mir zusätzlich bewusst, dass die Verschlossenheit der Tür des 13. Dezember nur dadurch zu erklären war, dass ich sie am 13. Dezember eben nicht geöffnet hatte. Tatsächlich konnte ich mich auch nicht daran erinnern, ja ich war sofort sicher, es einfach vergessen zu haben, und zwar so weitgehend und vollständig vergessen, dass ich das Stück Schokolade, das für den 13. Dezember bestimmt war, gar nicht vermisst hatte und die Freude, die mir ein Adventsstückchen Schokolade in jedem Fall bereitet, wenn ich es eben nicht vergesse, keinesfalls durch ein besonderes Bewusstsein des Mangels ins Gegenteil verkehrt gewesen wäre. Gewissermaßen wurde also am 13. Dezember aus einem Plus X an Genuss nicht ein Minus X an Mangel, sondern einfach eine Null als Ergebnis meiner Vergesslichkeit. Heute, am 14. Dezember, hatte ich nun mit den zwei Stücken Schokolade ein Zwei Mal Plus X an Freude vor mir. Mir wurde aber auch klar, dass diese ganze Arithmetik dem erstaunlichen Vorgang überhaupt nicht gerecht werden konnte, weil sie besagt, dass am Ende links und rechts der Gleichung ja doch wieder alles wie erwartet steht. Vielmehr war die Wahrheit doch folgende: Gestern mangelte es mir bewusst an nichts, weil ich es einfach vergessen hatte, heute aber hatte ich den doppelten Genuss und dieser war mit Gewissheit größer als die Summe zweier gewöhnlicher aufeinander folgender Adventskalenderschokoladenstückchentage. Und mir schlug es plötzlich als eine unbegreifliche Erleuchtung vor die Stirn, dass diese verblüffende Brechung der Kontinuität und des Gleichmäßigen, die zu einer so außergewöhnlichen Freude führte, nur ein Wunder sein konnte, das der Advent über mich gebracht hatte. Mir wurde unheimlich zumute und unruhig blickte ich mich um. Alles war still, keine Bewegung war im Zimmer zu sehen, kein Lufthauch zu spüren. Eine Katze auf dem gegenüberliegenden Garagendach schien mir nichts Ungewöhnliches. Langsam und nachdenklich setzte ich mich, und zum letzten Kaffeeich die Schokoladenstücke zweier Adventstage.


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