Abhärtung

Drei Abhärtungsgeschichten

Ostern 1948 zogen wir in eine Notwohnung in einer stillgelegten Fabrik. Am Ende der Großen Ferien schenkten mir die Eltern von gesparten D-Mark ein Fahrrad, um das Geld für die Straßenbahn zu sparen. Bis zur Haltestelle waren es drei Kilometer, 12 weitere bis zum Gymnasium in der Stadt. Viele Jungs wetteten damals darum, wer als Letzter lange Hosen anzieht. Mit einem der Kameraden wettete ich. Irgendwann Anfang November – wir hatten Nachtfrost – freor ich erbärmlich und verlor die Wette – Taschengeld für den ganzen Monat. Später erfuhr ich – der Kumpel musste zur Strafe kurze Hosen tragen. Aber er hatte nur einen Fünfminutenschulweg.

Zehn Jahre später Ich kaufte als junger Ingenieur einen Last-hand-Käfer. Die Bremsen funktionierten nicht richtig. Ich brachte ihn in eine Tankstelle mit eine kleinen Werkstattt. Es war Winter. Der Lehrjunge trug kurze Hosen. Sein Vater schraubte noch an meinem Auto, der Junge half beim Tanken. Wir quatschten. „Warum trägst du keinen Blaumann?“ Er: Ich habe keinen, die alte lange Hose ist kaputt, die gute ist für Sonntags. Mein Alter kauft mir keine neue. Für mich ist es o.k. - manche Kunden haben Mitleid und geben mehr Trinkgeld.“

Noch zehn Jahre später, ich bin Ingenieur in einer Gießerei. Der Direktor hat Interesse an einem neuen Verfahren und verabredet mit dem französischen Kollegen einen Erfahrungsaustausch. Ich soll bei einem Betriebsleiter untergebracht werden um Spesen zu sparen. Die Gießerei liegt in einer gebirgigen Gegend südwestlich von Lyon. Es ist Januar. Meine Gastgeber haben zwei Jungs. Beide tragen Shorts und viele ihrer Schulkameraden auch. „Warum?“ frage ich. - „Das ist modern. Die wollen das. Von kalten Beinen wird man nicht krank.