Punker sind Geschichte ohne Geschichten. Licht ohne zu blenden. Und frei von Geschäften.
Laotse
Ein Samurai ist ein Mann, der nichts tut. Nichts Aufregendes kennzeichnet sein Leben.
Daisetz Teitaro Suzuki
Als Picasso einmal in Eile war, weil er zu einer Party wollte, kam ein Ölmillionär und wollte ein Bild. Picasso war mit Kaffeetasse, Socken suchen und Rasierpinsel beschäftigt und wollte den Kerl rauswerfen. Aber dann sah er die Höhe der Summe auf dem angebotenen Scheck, dachte an den Bittbrief vom Tierschutzverein und hat das Bild schnell gemalt. Daher sagen Leute auf Abankor, wenn sie ein Bild von Picasso sehen: »Das kann doch jeder.«
Aus den mündlichen Überlieferungen von Arrakis
»Mein Sohn arbeitet nichts. Der schreibt bloß Bücher.«
Aus den Erinnerungen an meinen Vater
»Sie sind Kunstmaler?«, fragt sie, und damit weiß ich schon, wie's weiterläuft. Wenn jemand seine Gedanken mit dem Wort 'Kunstmaler' ausdrückt, will er auf Bildern was erkennen. Dafür ist er dann auch bereit, lange Haare, Ohrringe und geflickte Jeans zu durchgehen zu lassn. Unter 'etwas erkennen' versteht so jemand, dass es 'schön' gemalt ist. Das Bild von einem toten Punk oder ein brennendes Auto sieht so ein Mensch nicht als Kunst, obwohl oder weil er da etwas erkennen kann.
»In was für eine Richtung malen Sie denn?«, fragt sie, und ich weiß, dass ihr innerer Katalog nur die Möglichkeiten Impressionismus, Expressionismus, Surrealismus, Naturalismus, Realismus, Radikalismus und vielleicht auch Graffiti in die Schau stellt. Mit dem zuletzt Genannten wäre sie schon sehr progressiv. Das bezweifle ich.
»Ich male ungegenständlich«, sage ich.
»Ach abstrakt?«, sagt sie kühl.
»Nein, ungegenständlich, so wie Kurz.« Die Namen Graf und Lebert verschweige ich, denn die kennt sie vielleicht, und das würde das Gespräch in die Länge ziehen. Sie schaut mich an und versteht nicht mal Bahnhof.
»Ich male platypisch«, sage ich, und spüre meine wachsende Ungeduld. »Ich abstrahiere nicht, ich verschlüssele nichts, ich deformiere nicht, ich forme Eigenes.«
»Sie malen Farbkompositionen?«
Jetzt weiß ich genau, dass sie mich, in ihren Kunstspekulationen, als uninteressant abgehakt hat. Farbkomposition ist das Wort für sinnloses Geschmier, dem man nur aus pädagogischen Gründen zuzustimmen hat, wenn es das eigene Kind aus dem Kindergarten mitbringt. Dann wäre der allerdings schon sehr sehr progressiv.
Sie guckt sich bereits nach neuen Gesprächspartnern um, ich regristriere es mit Wohlgefallen, aber noch ist keine Erlösung in Sicht, also fragt sie weiter: »Was wollen Sie denn mit so einem Bild sagen?«
»Sagen will ich nichts, denn dann müßte ich schreiben. Die Malerei stellt dar und her, das Erzählen und Erklären ist ihr, Gott, Buddha und Allah sei Dank dafür, weggenommen worden.«
Bevor sie nun die finale Fluchtfrage stellt, müssen noch zwei oder drei Punkte abgehakt werden.
»Haben Sie das studiert?«
»Ja«, sage ich, und nun läuft das Programm fehlerfrei.
»Dann könnten Sie also auch was Richtiges malen. Eine Katze oder Blumen?«
»Ja.«
Sie ist natürlich über die zur Party eingeladenen Gäste etwas informiert, daher war die nächste Frage überfällig:
»Was macht Ihre Frau?«
»Sie ist Schriftstellerin«, sage ich und weiß, von diesem Gast bleibt meine Frau unbehelligt. Leute, die das Wort Kunstmaler verwenden, haben Angst vor Schriftstellern. Denn sie glauben, das seien Menschen, die wissen wollen, warum ihr zweiter Mann sie verlassen hat und ob ihr Vater seine Kinder schlug. Jetzt, endlich, kommt die finale Fluchtfrage:
»Können Sie davon leben?«
»Ja, gut«, sage ich, und weiß, dass die Dame heute, morgen und übermorgen was zu erzählen hat, denn wenn einer gut davon leben kann, dann ist das schon das Weitersagen wert. Sie werden nun in ihren Kreisen und Quadraten darüber jammern, wie schlimm die Welt geworden ist. Denn der Ärger darüber, dass sie für ihr Geld arbeiten muß, oder zumindest ihr Mann, nagt jetzt schon in ihr. Da ich leider schon in meiner sadistischen Phase bin, und um ihren Ärger zu vergrößern, schiebe ich nach und frage: »Sie haben doch was über Khaled al-Masri in der Zeitung gelesen?« »Ja warum?« »Die CIA war da ganz nah dran. Die Terroristen wohnten in Ulm in der gleichen Straße, nur eben zwei Häuser weiter weg.« »Woher wissen Sie das?« Sie haben aber seltsame Bekannte verkneift sie sich, mit Anstrengungen. »Von einem Palästinenser«, sage ich, und bin nun endgültig unten durch, obwohl auch sie gelegentlich kifft, aber sie und/oder ihr Mann würden das Land ihres Dealers nicht auf einer Landkarte finden. Sie haben zwar Karten, aber wahrscheilich kann sie nicht mal auf Anhieb sagen, in welchem Land Ulm liegt.
»O hallo«, ruft sie nun endlich beim Anblick neuer Gäste, die eben am Buffet angekommen sind, murmelt, für mich, höflichst eine Entschuldigung und ist weg.
In der Wahrheit bin ich Waffen- und Drogenhändler und meine Frau erarbeitet Komplettlösungen für mittelständische Betriebe und ihre Vernetzungskonzepte und berät, ganz allgemein, im Bereich Bürokommunikation. Wir leiten einen erfolgreichen kleinen Familienbetrieb.
Die Maler-und-Schriftstellerin-Schablone ist gewiß etwas sadistisch, ich lasse sie aber auch nur dann aus meinem Computer, wenn ich Ruhe haben will.
Und, ich liebe meine Frau und unsere Exzentrik, und genieße die Einsamkeit am Rand, das Gefühl, nicht in der Mitte stehen zu müssen.
Thommie Bayer: »Menschen wie du und ich«; PSYCHOLOGIE HEUTE Taschenbuch 1990
»Die Geschichte ist einfach die«, sagte der Maler. »Vor zwei monaten ging ich zu einem der großen Empfänge Lady Brandons. ... Ich war etwa zehn Minuten im Saal und schwatzte mit aufgetakelten Witwen und langweiligen Akademikern, als ich plötzlich spürte, daß mich jemand ansah. Ich wandte mich halb zur Seite und sah <Thomas> zum ersten Mal.«
Oscar Wilde: »Das Bildnis des Dorian Gray«; Goldmann Klassiker, S. 13
Anmerkung: Die Geschichte ist einfach die: Ich las das Buch, zum ersten Mal, als 15jähriger, und das eben Wiedergegebene war die, für mich, erotischste Szene, die ich (in diesem Leben?) las. Denn, ich war erst 15. Und es vergingen viele Jahre. Dann kam das Jahr 1979, ich ging, in Nürnberg, ins Kommunikationszentrum, und sah Thomas zum ersten Mal.
Peter Roos: »Bücher sind Briefe an Freunde.«
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