Um 1985 herum darf man den Beginn der ganzen Kacke ansiedeln, von der wir bis heute nicht losgekommen sind. Ganz im Gegenteil, es geht immer noch schlimmer!
1985 markiert das Ende der APO, die Enttäuschung der Friedensbewegung, die letzte Blütezeit der Linken in Gestalt der Grünen. 1985 wurde die 1983 unter Kohl proklamierte geistig-moralische Wende endgültig umgesetzt. Von diesem Jahr an war es nicht mehr chic, sich Gedanken über die Gesellschaft zu machen, ja selbst das Zeigen von Gefühlen war plötzlich out. Es war das Zeitalter der Yuppies, der Anfang der neoliberalen Spaß- und Ellbogengesellschaft, selbst die 12-jährigen wollten unbedingt Anzüge tragen und einmal Manager werden, die Mädchen hingegen Model. Es war auch die Zeit des Privatfernsehns, und die schlimmsten Warnungen der 68er wurden schließlich übertroffen. Plötzlich hatten wir Bild-TV mit Modelkindern, schwachsinnigem Boulevard-Trash und brotlosen Spielen für das Dummvolk. Die langen Haare der Hippie-Epoche waren verpönt, an ihre Stelle traten doitschnazionale Glatzen oder diese unsäglichen Kevin-Vogelnest-Frisuren. Ja, man war wieder männlich oder weiblich, schluss mit dem Scheiß-Emanzentum.
Die Jugend träumte von Karriere, die es wie das Abitur mit anschließendem Diplom-Besäufnis gratis bei McDonalds zu geben schien. Oder in den schicken vermessingten hippen Szenekneipen, in denen jeder der große Star sein wollte.
Auch die Popmusik hatte sich geändert, weg von psychedelischen Emotionen hin zum hippen Spaßsound. Zunächst noch die übelsten Ausläufer der Disco-Welle, dann Techno und dann dieser pseudo-kritische Rap, dieser grenzmusikalische Würgreiz der Unterschichten, die natürlich auch davon träumten, Machos zu sein und endlich einen schicken Porsche zu klauen.
Von da ab ging es weiter abwärts. Nach Kohl kamen die neoliberalen Kotzbrocken Schröder und Clement und ihre grünlichen Speichellecker, und die Ellbogengesellschaft wurde mit Hartz IV endgültig vollendet. Immerhin wollte die Jugend keine Anzüge mehr tragen, denn die konnte sie sich nicht mehr leisten. Auch das Auto als Statussymbol wich zumindest teilweise dem Handy. Waren es zunächst noch die Yuppies, welche die Handykultur begonnen hatten, musste bald jeder Migrant so ein Ding haben, um »wer« zu sein. Man ließ sich mit Klingeltönen abzocken und war permanent auf Kommunikationsdroge »SMS«. Daran hat sich bis heute nichts geändert, es kam aber noch das Smartphone mit Web 2.0 und tollen hirnlosen Apps hinzu. Interessant, dass die meisten Handy-Junkies heute junge Frauen sind. Irgendwann werden wir nicht mehr miteinander reden, sondern nur noch »Gefällt mir«-Bewertungen schicken und unsere 1000 Freunde hinzufügen, die aber alle nichts von uns wissen wollen und uns allenfalls besuchen werden, um uns partymäßig die Bude zu demolieren. Überhaupt ist das ganze Leben eine Party, aber irgendwann wird die Sperrstunde kommen. Politisch wird es derweil immer weiter nach rechts gehen. Wir werden die Freiheit der 1970er Jahre erst dann vermissen, wenn wir Stück für Stück die Nazi-Gesellschaft reetabliert haben, denn seit der Bananenrevolution 1989 gilt alles, was links ist oder besser war, als richtig pöse. Dank des Internets haben wir nicht wirklich ein emanzipatorisches Medium, sondern unsere asozialen Netzwerke, allen voran das durchkommerzialisierte Fratzenbuch, übrigens eine auf Datenklau basierende ehemalige studentische Tittensuchmaschine, mit deren Hilfe niedere Instinkte wie diffuse Nazionalgefühle noch schneller befriedigt werden können. Einst hatten wir Angst vor profanen Spielzeugpanzern in Kinderzimmern, heute finden dort am Bildschirm wahre Massaker statt, und Jugendliche verteidigen eher das Recht auf virtuelles Gemetzel und illegale Downloads als eine heile Umwelt. Ganz im Gegenteil: Wir verfluchen die Scheiß-Ökos, leugnen die Klimakatastrophe mit aberwitzigen Verschwörungstheorien, statt dem 3-Liter-Auto fahren wir Pkws, die aussehen und Sprit verbrauchen wie Lkws, und wenn wir nicht weiter wissen, flüchten wir in eine Mischung aus pseudoromantischer Verkitschung, Esoterik und Religiotismus. Sogar die Bibel finden wir wieder richtig geil, dabei haben wir dieses faschistoide Machwerk noch nicht einmal von Anfang bis Ende gelesen, sondern allenfalls die etwas sympathischeren Passagen vom lieben Jesukindlein. Dabei glaubten wir doch schon das Mittelalter und auch die Nazizeit hinter uns zu haben - weit gefehlt: Unsere Kinder sind die, vor denen wir damals gewarnt haben. In den frühen 80ern hatten wir noch Angst vor Verdatung und Bespitzelung, heute geben wir unsere Daten freiwillig preis und regen uns dann auch noch über den NSA-Skandal auf. Ja, der Hinriss und die empathielose Vermassung nehmen immer noch zu, und ein Ende der apathischen Macho-Proll-Verrohungs- und Verblödungsgesellschaft könnte allenfalls noch in Form einer Schocktherapie kommen. Eine Energie- oder Wirtschaftskrise oder vielleicht auch der drohende 3. Weltkrieg ...
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