Als Ölkrise bezeichnet man Phasen starker Ölpreisanstiege, die gravierende gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben. Im engeren Sinne werden nur die starken Erhöhungen des Rohölpreises 1973 und 1979/80 als Ölkrise bezeichnet, da beide in den Industrieländern deutliche Rezessionen auslösten. Bereits die (realen) Preissteigerungen und Nachfragesprünge zu Anfang der modernen Ölförderung bis 1900 waren mit den neuzeitlichen Ölkrisen vergleichbar. Anfang der 1950er Jahre führten Krisen wie der Putsch im Iran und am Suez zwar nicht zu einem Ölpreisschock in Westdeutschland, das damals noch 35 % seines Ölbedarfs aus heimischen Quellen deckte, aber zur breiten Umstellung der französischen Stromversorgung auf Kernenergie und einer intensiven Erdölprospektion in der DDR.[1]
2005–2008 wurde über die Möglichkeit einer globalen Ölkrise diskutiert, die durch die steigende Nachfrage nach Öl und ein absolut und nicht abzuwendend sinkendes Angebot aufgrund eines möglicherweise bevorstehenden globalen Ölfördermaximums verursacht werden könnte.
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Die erste Ölkrise 1973
1.1 Beschreibung
1.2 Länderspezifische Auswirkungen
1.3 Technologische Veränderungen
2 Die zweite Ölkrise 1979
3 Weitere kurzzeitige Preisanstiege
3.1 Zweiter Golfkrieg 1990
3.2 Weltwirtschaftliche Erholung nach der Asienkrise 2000
3.3 Ölpreisspitzen der jüngeren Vergangenheit
4 Auswirkungen und Wahrscheinlichkeit einer finalen Ölkrise
5 Einzelnachweise
6 Siehe auch
7 Weblinks
Die erste Ölkrise 1973 [Bearbeiten]
Beschreibung [Bearbeiten]
Die erste und folgenreichste Ölkrise wurde im Herbst 1973 durch den Jom-Kippur-Krieg (6. bis 26. Oktober 1973) ausgelöst. Die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC) drosselte bewusst die Fördermengen um ca. fünf Prozent, um die westlichen Länder bezüglich ihrer Unterstützung Israels unter Druck zu setzen. Am 17. Oktober 1973 stieg der Ölpreis von rund drei US-Dollar pro Barrel (159 Liter) auf über fünf Dollar. Dies entspricht einem Anstieg um ca. 70 Prozent. Im Verlauf des nächsten Jahres stieg der Weltölpreis auf über zwölf US-Dollar.
Dieses Ereignis ging auch unter dem Namen „Ölembargo“ in die Geschichte ein. Die angesprochene Drosselung der Fördermengen war Kalkül und politisches Druckmittel der OPEC-Staaten, die mit der Politik einiger erdölimportierender Staaten betreffend den Jom-Kippur-Krieg nicht einverstanden waren. Am Ölembargo nahmen Iran, Algerien, Irak, Katar, Kuwait, Libyen, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate teil.
Länderspezifische Auswirkungen [Bearbeiten]
Die Ölkrise von 1973 demonstrierte die Abhängigkeit der Industriestaaten von fossiler Energie, insbesondere von fossilen Treibstoffen.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde als direkte Reaktion auf die Krise viermal ein Sonntagsfahrverbot im November (erstmalig 25. November 1973) und Dezember 1973 verhängt sowie neue Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt. Dies hatte einen moralischen, aber keinen wirtschaftlichen Effekt. 1974 musste die Bundesrepublik für ihre Ölimporte rund 17 Milliarden DM mehr bezahlen als im Jahr zuvor. Dies verstärkte die Wirtschaftskrise und führte zu einem deutlichen Anstieg von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Sozialausgaben und Insolvenzen von Unternehmen. Keynesianische Konjunktursteuermaßnahmen und geldpolitische Maßnahmen hatten Stagflation zur Folge.
In Österreich wurde unmittelbar als Sparmaßnahme ein autofreier Tag pro Woche verordnet. Dazu wurden die Fahrzeuge mit einem Aufkleber für den jeweiligen Wochentag auf der Windschutzscheibe gekennzeichnet. In den Schulen wurden Sonderferien im Februar für eine Woche eingeführt, die im Anschluss als Semesterferien weitergeführt wurden. Den umgangssprachlichen Namen Energieferien führen sie heute noch.
Als Spätfolge der Ölkrise wird die Einführung der Sommerzeit gesehen.
Wegen der unterschiedlichen Verrechnungspreise (im fünfjährigen Mittel des Weltmarktpreises) im RGW (Ostblockländer) kam diese Ölkrise in der DDR deutlich später (Anfang der 80er) an als in der Bundesrepublik. Insbesondere die Chemieindustrie der DDR profitierte in den 1970ern von Zwischenhandel mit Rohöl und davon abgeleiteten Chemierohstoffen und Treibstoff.[1] Anfang der 80er Jahre lagen die Ölpreise im RGW aber eher höher als auf dem Weltmarkt und die DDR erhielt nicht mehr die benötigten Mengen. Mangels Devisen, neuen Technologien und eigenen Ölvorkommen war sie deshalb gezwungen, vermehrt auf die heimische Braunkohle bzw. Kohleverflüssigungsanlagen zu setzen, Milliardenkredite im Westen anzufragen und zunehmend »unkonventionelle« Devisenbeschaffungsmaßnahmen anzuwenden.
Technologische Veränderungen [Bearbeiten]
Die Offshore-Förderung von Öl und die nachträgliche Ausbeutung von älteren Vorkommen wurde aufgrund der gestiegenen Preise wieder profitabel. Im Offshore-Bereich zog dies eine rasante Entwicklung der damit verbundenen Technologien nach sich, vom Bau von Bohrinseln bis zur Pipelineverlegung und dem Einsatz von Tauchrobotern (Remotely Operated Vehicle) für Prospektierung, Anlagenbau und Wartung in größeren Wassertiefen.
In Folge der Ölkrise entstanden auch Initiativen, die die Abhängigkeit vom Öl reduzieren sollten. So rückten alternative Treibstoffe wie Pflanzenöl und Biodiesel und Müllverbrennung in das öffentliche Interesse. Es wurde vermehrt in Kernenergie, regenerative Energiequellen, die Wärmedämmung von Gebäuden und in die Effizienzsteigerung von Motoren und Heizgeräten investiert. Auch mit dem Abklingen der Ölkrise blieb ein gestiegenes Bewusstsein zum energiesparenden Verhalten in der Bevölkerung erhalten. Zudem wurde der Anteil des aus OPEC-Staaten bezogenen Öls durch Erschließung unterseeischer Ölfelder in der Nordsee sowie eine Diversifikation der Handelspartner gesenkt. Diese Entwicklung ist inzwischen zugunsten der OPEC rückläufig, da das Nordsee-Erdöl seinen Fördermaximumspunkt inzwischen erreicht hat und die Förderraten wieder kontinuierlich abnehmen.
In einigen westlichen Staaten wurden in der Folge der Krise 1973 militärische Optionen erwogen. Einem über 30 Jahre geheim gehaltenen gemeinsamen Plan der britischen und amerikanischen Regierungen zufolge war eine Invasion von Saudi-Arabien und Kuwait Gegenstand der Planung. »It was thought that US airborne troops would seize the oil installations in Saudi Arabia and Kuwait and might even ask the British to do the same in Abu Dhabi.«[2]
Zur Reduzierung der politischen Erpressbarkeit wurden in allen Staaten Strategische Ölreserven angelegt oder massiv verstärkt.
Die zweite Ölkrise 1979 [Bearbeiten]
Nach einem Rückgang der Ölpreise fanden während der zweiten Ölkrise 1979/80 wieder kurzzeitige Preissteigerungen statt. Ausgelöst wurde sie im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Revolution im Iran und dem folgenden Angriff Iraks auf den Iran (Erster Golfkrieg). Der damalige Preisanstieg fand bei ca. 38 US-Dollar für einen Barrel (159 Liter) sein Maximum. Zum Ende des Jahrhunderts fiel der Ölpreis wieder auf unter 20 $ pro Barrel.
Weitere kurzzeitige Preisanstiege [Bearbeiten]
Zweiter Golfkrieg 1990 [Bearbeiten]
1990 und 1991, als der Irak Kuwait annektierte (besetzte) und den Zweiten Golfkrieg verlor, sprach man wieder von einer bevorstehenden Ölkrise, denn beide Länder gehörten zu diesem Zeitpunkt zu den größten Erdölproduzenten. Es kam aber wider Erwarten nur zu einem kurzzeitigen Hochschnellen des Preises.
Weltwirtschaftliche Erholung nach der Asienkrise 2000 [Bearbeiten]
Nach Überwindung der Asienkrise wuchs die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell an. Die Witterungsbedingungen im strengen Winter 2001/02 führten ebenfalls zu einem erhöhten Ölbedarf. Die Auswirkungen waren geringer als in den 70er Jahren. Aufstockungen der Erdölfördermenge verhinderten eine ernsthafte Ölkrise, und logistische Probleme (etwa eine mangelnde Zahl von Öltankern) wogen schwerer als eine tatsächliche Knappheit der Ölmenge. Kaufkraftkorrigiert lag der Ölpreis 1900 höher als der von 2000.
Ölpreisspitzen der jüngeren Vergangenheit [Bearbeiten]
Nach einer längeren Phase niedrigerer Preise erreichte im Laufe des Jahres 2004 der Ölpreis zeitweilig einen Stand von 53 Dollar in einem Umfeld politischer, wirtschaftlicher und spekulativer Belastungen. 2005 stiegen die Rohölpreise auf Grund des verheerenden Hurrikans Katrina, der die Ölförderung im Golf von Mexiko und die Raffination in den USA beeinträchtigte, auf 70 USD pro Barrel (159 Liter). Seine bisherige Rekordmarke erreichte der Ölpreis pro Barrel für US-Leichtöl (WTI) an der NYMEX am 11. Juli 2008, als er auf 147,27 US-Dollar anstieg, Brent wurde mit der Höchstmarke von 147,50 US-Dollar gehandelt. Zu Beginn des Jahres 2009 befanden sich die Ölpreise jedoch, aufgrund einer weltweiten Wirtschaftskrise, wieder bei einem Niveau von 30 bis 40$.
Auswirkungen und Wahrscheinlichkeit einer finalen Ölkrise [Bearbeiten]
→ Hauptartikel: Globales Ölfördermaximum
Die Ölkrisen des 20. Jahrhunderts waren überwiegend durch politische und wirtschaftliche Ereignisse bedingt und vorübergehend. Von Anhängern der These vom Globalen Fördermaximums (ASPO, etwa Wolfgang Blendinger, Colin Campbell und Kenneth Deffeyes) wird eine Ölkrise befürchtet, die nicht allein politisch bedingt und nicht vorübergehend ist.
Auch die Internationale Energieagentur und ihr Chefökonom Fatih Birol warnten vor einem Einbruch der Weltölförderung und einer Preiseskalation.[3] Ende Februar 2009 warnte die IEA vor einer erneuten Öl- und damit Wirtschaftskrise bis 2013 und Ölpreisen von bis zu 200 Dollar aufgrund von Ölmangel bei wieder anziehender Nachfrage. Bereits jetzt würden laut IEA die weltweiten Ölförderkapazitäten (bei 580 der 800 größten Ölfelder der Welt) sinken und die Ölreserven würden sich bis 2013 voraussichtlich stark reduzieren. Das Problem bei einem Ölpreis von 40 Dollar sei, dass die Ölkonzerne ihre Investitionen zurückhalten, da sie sich nicht lohnen. [4]
Andere bestreiten dagegen die Relevanz der ursprünglich von Marion King Hubbert entwickelten Prognosemethode, die Anwendbarkeit solcher Prognosen auf die globale Ölförderung, oder gar die prinzipielle Endlichkeit der Erdölreserven.[5]
Als größere Herausforderung sehen sie den Investitionsstau, den es aufgrund des Zusammenbruchs der Preise in den 1990ern und Umbrüchen in der globalen Ölindustrie gegeben habe. Private westliche Ölkonzerne mit hohem technischen Know-how kontrollierten um 1970 noch knapp 50 %, 2008 nur noch 15 % der weltweiten Ölproduktion. Aufgrund mangelnder Investitionssicherheit resultiere ein Konflikt zwischen Zugang zu Lagerstätten beziehungsweise Technologie.[6] Sie verweisen auch auf die großen Vorkommen nichtkonventionellen Öls, wie etwa Ölsand, die die Ölförderung über viele Jahrzehnte sicherten.
Einzelnachweise [Bearbeiten]
1.↑ a b Rainer Karlsch und Raymond G. Stokes: Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859–1974. Verlag C.H. Beck, München 2003.
2.↑ US ready to seize Gulf oil in 1973. BBC News. 2. Januar 2004.
3.↑ Fatih Birol im Interview mit Internationale Politik (Zeitschrift). April 2008; vgl auch: World Energy Outlook 2007 (Zusammenfassung)
4.↑ Energieagentur warnt vor Engpass »Die nächste Ölkrise kommt« [1]. in: Die Süddeutsche
5.↑ Maugeri, Leonardo (2004)Öl – Falscher Alarm, in: Science
6.↑ As Oil Giants Lose Influence, Supply Drops, Jad Mouawad, NYT. 18. August 2008.
Siehe auch [Bearbeiten]
Energiekrise
Energieversorgung
Energieeinsparung
Kerninflation
Nahrungsmittelpreiskrise 2007–2008
Weblinks [Bearbeiten]
Wiktionary: Ölkrise – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Cheap oil (PDF; 67 kB)
The Association for the Study of Peak Oil and Gas
Die Zeit: Die kleine Ölkrise
Vergleich nominaler und inflationsbereinigter Ölpreis, 1947–2004
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96lkrise“
Kategorien: Wirtschaftskrise | Nahostkonflikt | Erdölwirtschaft
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