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Karl schrieb am 19.5. 2001 um 21:23:31 Uhr über

Ödipus

Ödipus-Komplex (psychoanalyt.) Komplex, der infolge fehlender od. unvollständiger Lösung der Bindung
des Sohnes an die Mutter entsteht; ( Poluda-Korte Forum Psychoanal (1999) 15:101–119) Der frühe
Ödipuskomplex Melanie Klein (Klein M (1928) Frühstadien des Ödipuskonfliktes. Int Z Psychoanal 14:1)
datiert den frühen Ödipuskomplex schon mit 6 Monaten (übrigens der Zeitpunkt, zu dem Freud die
Wende zum Oralsadismus vermutete), während Margret Mahler (1968 On human symbiosis and the
vissitudes of individuation. Int Univ Press,New York ) meint, der Geschlechtsunterschied werde dem
Kleinkind erst 1 Jahr später, also mit 18 Monaten bewußt.Im Verlauf eines Prozesses, in dem das Kind
selber laufen, selber essen und selber den Topf zu benutzen lernt und ein eigenständiges Körperschema
mit der Repräsentanz eines eigenen Geschlechtsorgans entwickelt, realisiert es, daß DAS Liebespaar
nicht länger Mutter und Kind heißt, sondern sich als Mutter und Vater herausstellt. Empirische
Untersuchungen haben übrigens erwiesen, daß das Zugehörigkeitsgefühl zu einem von zwei
Geschlechtern bereits gegen Ende des ersten Lebensjahres so geprägt ist, daß es ab da irreversibel
festliegt. Es ist dies der Moment, den die griechische Mythologie als den Ursprung des geschlechtlichen
Eros darstellt: die Spaltung des selbstgenügsam-zweieinheitlichen Kugelmenschen bzw. der
Mutter-Kind-Symbiose. Das Kind begreift sich als getrenntes Lebewesen, es hat das Paradies verloren,
in dem es eine grandiose, aber selbstlose Mutter als Teil des eigenen Selbst zu regieren glaubte, ein
Liebespaar, wie es das Emblem unserer Kultur veranschaulicht: die Madonna mit dem Kind auf dem Arm,
das die Insignien der Herrschaft in Händen hält. Indem das Kind sich nun als ausgeschlossen und die
Eltern als Paar wahrnimmt, gewinnt es eine Ahnung von dem Geschlechtsunterschied und der Sexualität
sowie der eigenen Zugehörigkeit zu einem Geschlecht und Nichtzugehörigkeit zu dem anderen, auf das
es sich von nun an verwiesen sieht. Der frühe Ödipuskomplex ist also das Resultat eines
Ablösungsprozesses, der anschließend schmerzlich als Verlorenheit realisiert wird; er bedeutet eine
Umzentrierung der Wahrnehmung im Sinne eines individuierten Welterlebens, eine Realisierung des
Generationenunterschieds und des Ausgeschlossenseins von der Paarung der Eltern, eine Ahnung von
der Geschlechterdifferenz sowie der eigenen Zugehörigkeit. Der reife Ödipuskomplex Zunächst führt
bei der Tochter jedoch die Konsolidierung ihrer Mutterbeziehung zu einer narzißtisch-modellierenden
Spiegelbeziehung (Poluda-Korte 1993Der lesbische Komplex. In: Alves EM (Hrsg) Stumme Liebe.
Kore,Freiburg) dahin, daß sie ihr Begehren immer eindeutiger dem Vater zuwendet, der ihr nicht nur das
kompensatorische Kind schenken soll, sondern von dessen Genitale sie nun phantasiert, die verlorene
Befriedigung in neuer Weise in der Tiefe ihres psychisch repräsentierten und körperlich erlebten Genitales
wiederzuerlangen.Dies Begehren spitzt sich im reifen Ödipuskomplex endlich so zu, daß die
Identifizierung mit der Mutter in ein mörderisches Ersetzenwollen ihrer Person mündet, um den Vater
exklusiv genießen zu können. Anders als Freud, der beim Mädchen (mangels Kastrationsdrohung) keine
Lösung des Ödipuskomplexes, sondern einLanden im ödipalen Hafen" konstatierte, glaubt Frau Korte,
daß auch der Ödipuskomplex des Mädchens untergeht, indem es den Anspruch der Mutter akzeptiert.
Die notwendige ödipale Enttäuschung wirkt sich schließlich auch beim Mädchen in einer partiellen
Identifizierung mit dem Vater als dem aufgegebenen Liebesobjekt und zunehmender Über-Ich-Reifung
aus. Die Enttäuschung im reifen Ödipuskomplex scheint jedoch beim Jungen in weit schmerzlicherer
Weise zu verlaufen als beim Mädchen, da es den Vater nie so intim besessen hat, wie einst die Mutter,
während der Junge erst jetzt von der ganzen Härte des sexuellen Verzichts auf die Mutter betroffen ist.
Dementsprechend fällt das reife Über-Ich des Jungens strenger aus als beim Mädchen, was Freud bereits
konstatierte. In der autoerotischen Phase entwickelt der Junge parallel zum Mädchen ein großes, wenn
auch ambivalentes Interesse für den Vater, mit dem er sich phallisch-narzißtisch identifiziert, mit dem er
leidenschaftliche Kämpfe phantasiert, Superman-Größenträume und schließlich auch intensive erotische
Szenarien, um sich seines männlichen Organs zu versichern und Distanz und Selbstbehauptung
gegenüber der Mutter zu gewinnen, deren Bild er nun mehr und mehr durch die Augen des Vaters zu
erneuern trachtet. Da sich die Beziehung zum idealisierten Vater weniger konkret als phantastisch
entwickelt, bedeutet der Progreß zur ödipalen Konkurrenz schließlich eine phantasmatisch erhöhte
Herausforderung, die den Jungen so in Nöte bringt, wie es von psychoanalytischer Seite oft beschrieben
wurde. Der Untergang seines reifen Ödipuskomplexes wird deshalb so zu einem entscheidenden Ereignis
in seiner Entwicklung, da er für den herben Verzicht auf die primär und genital, also doppelt begehrte
Mutter eine loyale und liebevolle Beziehung zum großen Vater sichert, wobei er seine doppelte Wut ins
entsprechend gestrenge Über-Ich bindet und sich wiederum partiell mit der Mutter identifiziert, indem er
sich sexuell von ihr löst.


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